Wie organisiert sich die AKP in Deutschland?

Das AKP/MHP-Regime organisiert sich in Deutschland über die türkischen Konsulate in verschiedenen Vereinen, Moscheen und Lobbygruppen. Mit tausenden MIT-Agenten agiert der türkische Staat im Bundesgebiet wie im eigenen Hinterland.

In der letzten Zeit kam es immer wieder zu organisierten Angriffen türkischer Faschisten auf linke Vereine und kurdische Institutionen. Insbesondere die Aussagen einer von den österreichischen Behörden gefassten mutmaßlichen Agentin des türkischen Geheimdienstes MIT deuten auf eine tiefe Verwicklung des AKP/MHP-Regimes in Provokationen und Angriffe hin. Im Rahmen der Ermittlungen zu der viertägigen Angriffswelle auf kurdische und linke Einrichtungen in Wien-Favoriten Ende Juni tauchten vier Namen auf. Einer dieser „Rädelsführer“ gehört offenbar zu einem MHP-Verein in Deutschland, die übrigen drei zu AKP/MHP-Vereinen in Österreich. Diese vier Personen waren verantwortlich für die faschistische Provokation gegen eine Frauendemonstration am 24. Juni und die darauffolgende rechtsextreme Anschlagswelle. Doch diese Entdeckung stellt nur die Spitze des Eisbergs dar.

Spitzeltätigkeiten und Provokationen

Im Juli wurde aufgedeckt, dass Angehörige von türkischen, faschistischen Gruppen mit engen MIT-Verbindungen sich in der Bundeswehr als Soldaten verdingen. Der Militärische Abschirmdienst (MAD) ermittelt gegen vier Bundeswehrsoldaten, die der Mitgliedschaft in der rechtsextremen Organisation „Graue Wölfe“ verdächtigt werden. Am gleichen Tag erklärte der deutsche Inlandsgeheimdienst Verfassungsschutz (VS) die Graue-Wölfe-Föderation ATIB („Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa e.V.“) zum Beobachtungsobjekt. ATIB stellt die Stimme des MIT in Deutschland dar und ist mit der Position des stellvertretenden Vorsitzenden Mehmet Alparslan Çelebi prominent im sogenannten Zentralrat der Muslime vertreten. Der „Zentralrat“ ist eine Klammerorganisation, in der neben den Grauen Wölfen auch DITIB („Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V.“) und die Muslimbruderschaft organisiert sind. Der Zentralrat der Muslime wird von der Bundesregierung immer wieder als Ansprechpartner zum Thema „Integration“ herangezogen und genießt staatliche und politische Förderung bis in Teile der Linkspartei hinein. Auch DITIB genießt Förderungen der Bundesregierung. Die Unterstützung für die an die staatliche türkische Glaubensbehörde Diyanet angeschlossene Organisation wird trotz Bespitzelung von Oppositionellen und offener Kriegspropaganda von Seiten der Bundesregierung weiter fortgesetzt.

Deutschland – wichtigstes Hinterland der AKP

Deutschland stellt für die AKP seit ihrer Gründung im Jahr 2001 eine lebenswichtige Basis dar. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass sich das AKP-Regime mit Hilfe Deutschlands an der Macht hält. In der Bundesrepublik leben etwa 1,5 Millionen in der Türkei Wahlberechtigte, dazu kommt noch eine Million Menschen, die aus der Türkei stammen. Durch sie versucht die AKP, Einfluss auf die deutsche Innenpolitik zu nehmen. Insgesamt leben in Deutschland etwa 3,5 Millionen Menschen mit Wurzeln in der Türkei oder Nordkurdistan. Dies hat für die AKP nicht nur im Sinne von Wahlstimmen Gewicht. Die AKP missbraucht den Islam ebenso wie den türkischen Nationalismus, um Geld zu sammeln und die Menschen mit ihrer Propaganda zu verhetzen.

Ein weiteres wichtiges Feld ist die Spionage. Die Konsulate, Moscheen, Vereine, Banken und viele Reiseagenturen arbeiten wie Außenstellen des MIT und sammeln Informationen über Kurd*innen und Gegner*innen des Erdoğan-Regimes und leiten diese nach Ankara weiter.

Milli Görüş – Ein Netzwerk der AKP

Als die AKP gegründet wurde, verfügte sie über keine Massenbasis in Deutschland. Im Jahr 2002 begann die AKP daher mit einer intensiven Kampagne, um Anhänger in Europa zu mobilisieren. In Deutschland gab es vor allem die „Islamische Gemeinschaft Milli Görüş“ (IGMG), die als islamistische Massenorganisation der Saadet-Partei agierte. Vor den Wahlen am 3. November 2002 hatten sich Erdoğan und der damalige Ministerpräsident Abdullah Gül mit der IGMG-Führung getroffen und diese davon überzeugt, sich hinter die AKP zu stellen. Ein großer Teil der IGMG trennte sich von der Saadet-Partei und schloss sich der AKP an. Darüber berichtete auch der Inlandsgeheimdienst. So gab der bayerische „Verfassungsschutz“ 2005 einen Bericht zu Beziehungen zwischen IGMG und der AKP heraus. Für die Anerkennung in der Türkei soll die IGMG demnach materielle Unterstützung für Abdullah Gül und die AKP erhalten haben. Auf den Treffen zwischen Erdoğan und der IGMG-Führung wurde vereinbart, ein gemeinsames Komitee zur Organisierung der AKP in Deutschland aufzubauen. In diesem Komitee arbeiteten viele Vertreter der IGMG. Es wurden Vereine und Einrichtungen der AKP in Deutschland gegründet. Immer wieder rief der zwischen 2002 und 2014 der Organisation IGMG vorstehende Oğuz Üçüncü zur Stimmabgabe für die AKP auf. Nach Üçüncü wurde Mustafa Yeneroğlu an die Spitze gebracht. Mustafa Yeneroğlu wurde selbst für zwei Legislaturperioden AKP-Abgeordneter. Auf diese Weise nahmen deutsche AKPler Sitze im türkischen Parlament ein.

100 Millionen Euro veruntreut

Seit den 1970er Jahren ist die islamistische Milli-Görüş-Bewegung in Deutschland organisiert und verfügt über etwa 600 Moscheen. Sie ist nicht nur Propagandainstrument, sondern auch Geldquelle für das AKP-Regime. 2008 fand auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Köln eine Razzia gegen die IGMG statt, bei der viele Unterlagen beschlagnahmt wurden. Die Ermittlungen schlossen mit dem Ergebnis ab, dass die IGMG-Leitung 100 Millionen Euro veruntreut habe. Durch Missbrauch religiöser Gefühle sammelte die Organisation Millionenspenden für die AKP.

Milli Görüş stellt Islamkundeunterricht an Berliner Schulen

Auch heute noch ist die „Islamische Gemeinschaft Milli Görüş“ an Schulen und Einrichtungen aktiv. Während Türkischstunden an Berliner Schulen direkt vom Konsulat gegeben werden, wird der Islamkundeunterricht von der IGMG gestellt. Auch der Rot-Rot-Grüne-Senat hat sich bisher in keiner Weise kritisch mit der Einflussnahme des Erdoğan-Regimes an Berliner Schulen auseinandergesetzt.

UETD – Lobbyorganisation des AKP-Regimes

Die „Union Europäisch-Türkischer Demokraten“ (UETD) ist als AKP-Lobbyorganisation vor allem in Deutschland, aber auch im restlichen Europa aktiv. Die UETD wurde 2004 in Köln gegründet und führte im Jahr 2018 in Bosnien-Herzegowina einen Kongress durch, an dem selbst Erdoğan teilnahm. Nachdem die UETD zum Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes geworden war, wurde das Wort „Türkisch“ aus dem Namen gestrichen und die Organisation in UID („Union Internationaler Demokraten“) umbenannt. Die Organisation dient aber nicht nur als Lobbyorganisation. Es ist kein Geheimnis, dass sie Verbindungen zu bewaffneten Gruppen hat, die Kurd*innen und andere Oppositionelle ins Visier nehmen.

Im Moment verfügt die UID über 253 Vertretungen in 17 Ländern. Deutsche Gerichte und Sicherheitsorgane stellten fest, dass über den Verein „Deniz Feneri e.V.“ (deut. Leuchtturm) in den Jahren 2002 bis 2007 gesammelte 41 Millionen Euro an die Vorgängerorganisation UETD abgeflossen sind, die wiederum von diesen Mitteln gegründet worden sein soll.

DITIB – Spionage und Agitationsnetzwerk

Einer der mächtigsten Vertreter des AKP-Regimes in Deutschland ist DITIB mit fast 900 Moscheen. DITIB ist Teil der türkischen Religionsbehörde und untersteht damit direkt dem Erdoğan-Regime. Nach dem vermeintlichen Putschversuch am 15. Juli 2016 fand eine Säuberungsaktion statt und die AKP entfernte alle Gülen-Imame aus der Organisation. Die DITIB-Imame werden direkt von der Religionsbehörde ausgewählt und nach Deutschland geschickt. Ihre Hauptaufgabe neben religiöser Agitation ist Spionage und Propaganda. DITIB arbeitet praktisch wie eine Geheimdienstorganisation des Regimes. Das belegen in den vergangenen Jahren aufgetauchte Dokumente immer wieder in aller Deutlichkeit. Die DITIB-Imame verfügen über einen Beamtenstatus in der Türkei und sammeln Informationen über Oppositionelle, die über Konsulate oder die Religionsabteilung der türkischen Botschaft in Berlin direkt an den MIT weitergegeben werden. Als 2017 Verstimmungen zwischen dem Erdoğan-Regime und der Bundesregierung herrschten, wurde in Deutschland ein Verfahren gegen 19 DITIB-Verantwortliche wegen Spionage eröffnet. Die Ermittlungen wurden blockiert, die Imame konnten in die Türkei ausreisen und die Verfahren wurden schließlich eingestellt. Insbesondere während den Angriffen auf Efrîn in Nordsyrien wurde die Rolle der DITIB als Propagandainstrument des Regimes deutlich. Die türkische Regierung hatte den Befehl ausgegeben, in den DITIB-Moscheen für „den Sieg unserer Soldaten“ zu beten. DITIB ließ Kinder in Militärkleidung auftreten und organisierte Kriegspropagandaveranstaltungen. Auch Verbindungen zum IS sind immer wieder ans Licht gekommen. 2015 veröffentlichte die ARD eine Dokumentation, in der gezeigt wurde, wie in DITIB-Moscheen Unterstützungsarbeit für den IS stattfand.

Konsulate – Knotenpunkte in Erdoğans Netzwerk

Neben der Botschaft in Berlin spielen die Konsulate in der Bundeshauptstadt sowie Düsseldorf, Essen, Frankfurt, Hamburg, Hannover, Karlsruhe, Köln, Mainz, München, Nürnberg und Stuttgart eine wichtige Rolle als Knotenpunkte im Netzwerk der AKP. Neben Lobbyarbeit läuft hier auch die Geheimdienstarbeit des MIT zusammen. Die Konsulate haben die Funktion einer Dachorganisation für die AKP-Vereine und Einrichtungen. Auf Anordnung der Konsulate versuchen türkische Vereine, deutsche Behörden unter Druck zu setzen, um kurdische Kundgebungen, Ausstellungen, Konzerte, Veranstaltungen oder andere soziokulturelle Aktivitäten zu verhindern. Die Konsulate stellen außerdem in vielen Bundesländern die Türkischlehrer an Grund- und Mittelschulen. Diese Lehrer werden ebenso wie die DITIB-Imame direkt in der Türkei ausgewählt und über die Behörden nach Deutschland geschickt. In Türkischwahlkursen werden die Kinder in türkischem Nationalismus unterrichtet und ihre Eltern bespitzelt. So wurde bereits im Jahr 2017 bekannt, dass vom Konsulat eingesetzte Türkischlehrer ihre Schüler nach den politischen Einstellungen ihrer Eltern befragten und die Informationen an das Konsulat in Berichtsform weitergaben.

Banken und Tarnfirmen

Ein anderes wichtiges Standbein des Spitzelnetzes sind Banken, Reisebüros und Tarnfirmen. Ein Beispiel dafür sind die Ziraat Bank und die Iş Bank. Beide Geldhäuser leiten sofort Informationen über jegliche Überweisung in die Türkei an den MIT weiter. 2014 wurden in Wuppertal drei Mitarbeiter eines Reisebüros festgenommen, das faktisch als MIT-Filiale arbeitete. Im gleichen Ermittlungsverfahren wurde eine Tarnfirma des türkischen Geheimdienstes in Mannheim, die zwischen 2011 und 2015 aktiv war, enttarnt.

AKP-Lobbyarbeit in Parteien

Ein anderes Tätigkeitsfeld der AKP/MHP-Regierung sind die politischen Parteien in Deutschland. Die SPD war lange Jahre als die Partei der Wähler aus der Türkei bekannt. So war der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder ein enger Partner Erdoğans. Sigmar Gabriel stellte sich als Außenminister in eben diese Tradition und wurde zu einem wichtigen Element des türkischen Lobbyismus. In den letzten Jahren hat sich die AKP aber nicht nur in der SPD, sondern auch in der CDU organisiert. Teilweise hat sie sogar die Grünen infiltriert.

2017 gründeten AKP-Anhänger die Gruppe „Muslime in der Union“. Diese Gruppe unter dem Vorsitz des AKP-Anhängers Cihan Süngür soll bis zu 30.000 Mitglieder haben. Die Organisation betreibt sowohl auf Bundes- als auch auf Länderebene Lobbyarbeit für das Erdoğan-Regime. In manchen Ländern machen auch Grüne AKP-Lobbypolitik. So hatte das grüne Stadtratsmitglied in Bünde, Eyyüp Odabaşı, einen ebenfalls grünen Wissenschaftler als „Haustürken“ beschimpft, als er die Unterdrückung von Kurd*innen und Armenier*innen in der Türkei thematisierte.

2016 wurde die Allianz Deutscher Demokraten (ADD) als Partei unter dem Vorsitz des glühenden Erdoğan-Anhängers Remzi Aru gegründet. Die Partei hat 2.500 Mitglieder und erhielt 2017 bei den NRW-Wahlen 0,15 Prozent.

Bewaffnete Gruppen und Schläger des Erdoğan-Regimes

2014 wurde der vier Jahre später verbotene „Box-Club Osmanen-Germania“ gegründet. Die kriminelle Organisation war in gewalttätige Übergriffe bis hin zu Attentatsvorbereitungen verwickelt. Obwohl diese türkisch-nationalistische, rockerähnliche Gruppierung in vielen Bundesländern Niederlassungen hatte, ging die Polizei nur in vier Bundesländern gegen den Verein vor. In vielen Städten führen die „Osmanen“ ihre Aktivitäten weitgehend ungestört unter anderen Namen fort.

Wie aus Gesprächsaufnahmen aus dem Jahr 2017 hervorgeht, hat der AKP-Abgeordnete Mehmet Külünk den „Osmanen“ mehrfach Geld zum Waffenkauf zukommen lassen. Von diesem Geld kaufte die Organisation Pistolen und Schnellfeuerwaffen, um diese gegen Kurd*innen einzusetzen. Aufgrund dieser Aktivitäten wurden die Anführer der „Osmanen“, Mehmet Bağcı und Selçuk Şahin, 2018 inhaftiert. Obwohl im Verfahren die Verbindungen zum Erdoğan-Regime offengelegt wurden, erhielten sie nur Haftstrafen wegen anderer Delikte. Im Verfahren kam weder vom Gericht noch von Seiten der Staatsanwaltschaft zur Sprache, dass die vermeintlichen Osmanen Attentate auf Oppositionelle vorbereitet hatten. Die höchste Strafe erhielt der Führer der Abteilung in Stuttgart, Levent Uzundal, mit sechs Jahren Haft. Mehmet Bağçı, der „Weltführer der Osmanen Germania“, erhielt nur drei Jahre und vier Monate Haft. Von ihm liegen Bilder vor, wie er persönlich von Erdoğan im Palast empfangen wurde.

Das faschistische Regime in der Türkei erhält seine stärkste materielle und moralische Unterstützung aus Deutschland. Es ist kein Geheimnis, dass das AKP/MHP-Regime Deutschland als seinen Hinterhof betrachtet.