Graue Wölfe sind der lange Arm des MIT

In einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion zu den Aktivitäten der sogenannten „Grauen Wölfe“ in Deutschland weist die Regierung ungewöhnlich deutlich auf ihre Verbindungen zum türkischen Geheimdienst MIT hin.

Die „Grauen Wölfe“ gelten als eine der größten rechtsextremen Organisationen in Deutschland. Sie sind in der Türkei vor allem durch die faschistische Partei MHP in der Regierungskoalition der Türkei vertreten. In den letzten Jahren kam es in der Türkei mehrfach zu pogromähnlichen Übergriffen und Lynchattacken durch Graue Wölfe gegenüber kurdischen Arbeitsmigrant*innen und Studierenden in der Westtürkei und der Schwarzmeerregion, sowie gegen Roma, syrische Flüchtlinge und Linke, wie zum Beispiel HDP-Anhänger*innen.  Zuletzt wurde Ende Mai 2020 der 20-jährige Kurde Baris C. in Ankara von drei Männern auf offener Straße erstochen, nachdem er zuvor auf dem Balkon kurdische Musik gehört hatte. Die festgenommenen Tatverdächtigen haben in ihren Profilen auf sozialen Medien die als Symbol der MHP dienenden drei Halbmonde.

Die türkischen Sicherheitskräfte sind von MHP-Anhängern durchdrungen, insbesondere in Spezialeinheiten. Das belegen unzählige Bilder von Mitgliedern von Sondereinheiten, die sich bei schwersten Menschenrechtsverletzungen immer wieder stolz mit dem „Wolfsgruß“ ablichten lassen.

Auch der Tatverdächtige, der im Mai 2020 in Dortmund laut Zeugenaussagen den kleinwüchsigen Kurden Ibrahim D. bei einem Streit brutal zu Tode geprügelt hat, bekennt sich auf seinem Facebookprofil zu den Grauen Wölfen.

Zuletzt gerieten die frauenfeindlichen, antisemitisch und radikal antikurdisch eingestellten türkischen Faschisten in Wien durch ihre Übergriffe auf eine Frauenkundgebung und folgende Angriffe auf das linke Projekt EKH in die Schlagzeilen. Während die „Grauen Wölfe“ einerseits als Schlägertruppe auf der Straße und Fußvolk bei Protesten agieren, versuchen sie andererseits auch nach Ansicht der Bundesregierung religiöse Einrichtungen, Integrationsräte und politische Parteien zu infiltrieren.

Verbände der „Grauen Wölfe“ in Deutschland

Größter Dachverband der Grauen Wölfe in Deutschland ist die Türkische Föderation als Teil der Europäischen Föderation der Türkischen Demokratischen Idealistenvereine (ADÜTDF). Diese dient als Auslandsorganisation der MHP. Nach Angaben der Bundesregierung hat die ADÜTDF etwa 7.000 Mitglieder und ist in etwa 200 Vereinen in Deutschland organisiert.

„Graue Wölfe“ an der Spitze des „Zentralrats der Muslime“

Daneben existieren noch die beiden kleineren, von der türkischen Föderation abgespaltenen und stärker religiös orientierten Dachorganisationen Türkisch-Islamische Union in Europa (ATIB) sowie Verband der türkischen Kulturvereine in Europa (ATB). ATIB stellt den größten Mitgliedsverband des Zentralrats der Muslime und den stellvertretenden Vorsitzenden Alparslan Çelebi. Der Zentralrat der Muslime stellt daher für die Grauen Wölfe ein wichtiges Instrument der Lobbyarbeit dar, durch das sowohl die Muslimbruderschaft als auch die türkischen Faschisten einen Alleinvertretungsanspruch der Muslime in Deutschland durchzusetzen versuchen.  

ATB/ATIB ist Auslandsverband der faschistischen BBP

Von einer besonders blutigen Geschichte ist die Partei BBP geprägt. Tief verwickelt in Massaker und Pogrome gegen Alevit*innen ist die religiös-faschistische BBP auch immer wieder im Zusammenhang mit der Ermordung von Missionaren in der Türkei und Kurdistan ins Gerede gekommen. Der ATB fungiert als Auslandsverband der BBP. Die Türkische Föderation, ATIB und ATB haben Einfluss auf zahlreiche Kultur- und Elternvereine, Unternehmerverbände, Jugendgruppen, Fußballclubs und Moscheen. Sie sind in vielen Integrationsräten vertreten. Zudem gibt es immer wieder Bestrebungen, in deutschen Parteien einzutreten und Einfluss zu nehmen. Nach Kenntnis der Bundesregierung verfügt der ATB über etwa 1.200 Mitglieder in 15 Ortsvereinen.

Viele der rechtsextremen Vereine verfügen über Gemeinnützigkeit

Eine Vertretung der BBP in Deutschland sind die Alperen Ocakları in Berlin. Der offen faschistische Verein im Wedding verfügt über Gemeinnützigkeit und veranstaltet regelmäßig mit Unterstützung des Bezirks „Familienfeste“ am Nettelbeckplatz. Dabei treten türkische Faschisten in osmanischen Uniformen auf und verbreiten türkisch-nationalistische Propaganda. Der Bundesregierung sind etliche Fälle der Erteilung von Gemeinnützigkeit an solche Vereine bekannt, sie verweist jedoch auf die Länderzuständigkeit. Während linke Vereine wie der Verein der Verfolgten des Nationalsozialismus wegen dessen Erwähnung im bayerischen Verfassungsschutzbericht die Gemeinnützigkeit entzogen wird, können Spenden an die türkischen Faschisten weiterhin steuerlich abgesetzt werden.

ATIB erhielt Gelder vom Familienministerium

Auch die Vereine der rechtsextrem geprägte ATIB genossen Unterstützung auf verschiedenen Ebenen. So bezahlte das Bundesministerium für Familie zwischen dem 11. Februar 2011 und dem 31. Dezember 2018 Sonderprogramme für den Bundesfreiwilligendienst bei dem rechtsextremen Dachverband, dabei wurden nach Angaben der Bundesregierung mehr als 12.000 Euro ausgegeben.

Bundesregierung schätzt Zahl der Grauen Wölfe zu gering ein

Die Bundesregierung geht in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage von einer Zahl von 11.000 „Grauen-Wölfen“ in Deutschland aus. Eine solche Zahl erreicht die Türkische Föderation schon alleine auf ihren Jahresversammlungen. Dazu kommen zwei weitere Föderationen und Unorganisierte. Realistische Schätzungen gehen daher von mindestens 18.000 Grauen Wölfen in Deutschland aus

Graue Wölfe in der Bundeswehr und Security

Die „Grauen Wölfe“ scheinen sich in den verschiedensten Bereichen der Gesellschaft und des Staates zu organisieren. So nennt die Bundesregierung vier Ermittlungsverfahren gegen „Graue Wölfe“ bei der Bundeswehr durch den Militärgeheimdienst MAD.

Die Bundesregierung spricht von einer Affinität der „Grauen Wölfe“ zu Waffen. So nehmen die Rechtsextremisten immer wieder an Schießtrainings teil, lassen sich in der Türkei an Waffen ausbilden und präsentieren sich dabei öffentlich in den sozialen Medien. Es sei bekannt geworden, dass sie „ein gewerbliches Angebot für wehrsportähnliche Security-Lehrgänge in Anspruch genommen haben sollen“.

Graue Wölfe versuchen sich zu bewaffnen

Die Bundesregierung warnt: „Wehrhaftigkeit, Selbstertüchtigungsbemühungen und Überlegenheitsvorstellungen gehören zum Selbstbild von Ülkücü-Anhängern und werden von Wünschen nach entsprechenden Fähigkeiten und Waffen begleitet“. Während die Verbände offiziell auf einem gesetzeskonformen Auftreten beharren, stellt die Bundesregierung fest: „Vor allem unter Ülkücü-Anhängern außerhalb der Verbände sind schießsportliche und kampfsportliche Aktivitäten festzustellen. Vereinzelt werden Bilder online gestellt, die Ülkücü-Anhänger beim Umgang mit Feuerwaffen unter freiem Himmel oder bei Schießübungen zeigen, oder es finden sich Trophäen über kampfsportliche Wettbewerbe. Bilder mit Schusswaffen werden häufig während Türkei-Aufenthalten gepostet.“ Immer wieder nehmen „Ülkücü-Anhänger“ an Schießtrainings in Deutschland und im Ausland teil, schreibt die Bundesregierung. Darüber hinaus hat die Bundesregierung auf Kenntnisse über die Einbindung „Grauer Wölfe“ in die Organisierte Kriminalität.

Jelpke: Schlägertruppe an der langen Leine des türkischen Geheimdiensts

Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, erklärt hierzu: „Von türkischen Faschistengruppen wie den Grauen Wölfen geht eine große Bedrohung aus. Das zeigen nicht nur die brutalen Übergriffe ihrer Anhänger, sondern auch Waffen- und Kampfsporttrainings der türkischen Nationalisten. Die Übergriffe auf eine Frauendemonstration in Wien und die Angriffe auf ein linkes Zentrum dort zeigen deutlich: Hier hat sich längst eine gewaltsame Schlägertruppe an der langen Leine des türkischen Geheimdienstes entwickelt.“

Türkische Faschisten wollen Einfluss auf die öffentliche Meinung nehmen

Die Bundesregierung erklärt, türkische Faschisten versuchten Einfluss auf die öffentliche und politische Meinungsbildung zu nehmen. So versuchen türkische Rechtsextremisten einerseits Lobbyarbeit zu betreiben und haben auch Mitglieder in den im Bundestag vertretenen Parteien. Jelpke sagt hierzu: „Die Bundesregierung verharmlost die Unterwanderung deutscher Parteien durch Anhänger der Grauen Wölfe mit der Behauptung, dass sich diese als Teil der hiesigen Gesellschaft betrachten würden. Wenn Kurden für die Linkspartei aktiv sind, macht der Verfassungsschutz daraus gleich eine vermeintliche Einflussnahme der PKK. Bei den Grauen Wölfen stellt ein Engagement in deutschen Parteien aus Sicht der Bundesregierung dagegen offenbar deren gute Integration unter Beweis.“

Graue Wölfe als verlängerter Arm des MIT

Erstaunlich offen gibt die Bundesregierung zu, dass es immer wieder zu Treffen zwischen türkischen Führungspersönlichkeiten und den „Grauen Wölfen“ in Deutschland käme. Es sei „daher wahrscheinlich, dass solche Kontakte seitens des MIT auch genutzt werden, um nachrichtendienstliche Belange zu fördern.“ Jelpke kommentiert diese Antwort: „Die Bundesregierung wird ungewohnt deutlich, wenn sie sagt, die Grauen Wölfe würden vom türkischen Geheimdienst MIT genutzt, um ‚nachrichtendienstliche Belange‘ zu fördern. Was damit gemeint ist, erleben Kurdinnen und Kurden, aber auch alle anderen türkeistämmigen Kritiker der Erdogan-Regierung in Deutschland tagtäglich. Das Spektrum der Übergriffe der türkischen Faschisten reicht von Troll-Kampagnen über Feindeslisten, Sachbeschädigungen und Körperverletzungen bis hin zu Mordanschlägen wie auf drei kurdische Politikerinnen in Paris im Jahr 2013.“

Gewalttaten türkischer Faschisten werden nicht getrennt erfasst

Die Bundesregierung kann so gut wie keine Angaben zu den Übergriffen türkischer Faschisten machen, da es keine bundesweite Erfassung solcher Angriffe gibt. Sie werden nur allgemein als „politisch motivierte Kriminalität“ erfasst. Bei den Beispielen, welche die Bundesregierung nennen konnte, handelt es sich allesamt um Übergriffe auf Kurd*innen.

Das Dreieck „Graue Wölfe“ – DITIB – Milli Görüş

Auch der Bundesregierung sind die engen Kontakte zwischen dem Deutschlandableger der türkischen Religionsbehörde Diyanet – DITIB, sowie der islamistischen Vereinigung Milli Görüş (IGMG) und den „Grauen Wölfen“ bekannt. So berichtet die Bundesregierung von DITIB-Imamen in „Moscheen verbandlich organisierter Rechtsextremisten“ und auch unorganisierte türkische Rechtsextremisten seien als Unterstützer von DITIB-Veranstaltungen festgestellt worden. Ähnlich sieht es bei Milli Görüş aus. Die islamistische Vereinigung betreibt den Islamkundeunterricht an staatlichen Schulen in Berlin und hat engen Kontakt zur türkischen extremen Rechten. Die Bundesregierung schreibt: „Die Zusammenarbeit umfasst sowohl den persönlichen Austausch als auch die Kooperation in Bereichen gemeinsamen Interesses.“ Immer wieder veröffentlichen DITIB, ATIB und IGMG gemeinsame Erklärungen, in denen sie ihre ideologische Nähe nicht verhehlen.

Jelpke: Übles Erdoğan-Propagandanetzwerk aus Grauen Wölfen, DITIB und Milli Görüş

Ulla Jelpke kommentiert: „Graue Wölfe, DITIB und Milli Görüş bilden ein übles Netzwerk, das sich der Propaganda für das Erdoğan-Regime verschrieben hat. Dabei teilen sie sich offenbar die Aufgaben. Während die Grauen Wölfe auch für Einschüchterungen und Bedrohungen verantwortlich sind und insbesondere nationalistische Spektren der türkischen Migration ansprechen, rekrutieren und spitzeln DITIB und Milli Görüş auf der religiösen Schiene für das AKP-MHP-Regime in Ankara. Aber vernetzt sind sie alle. Da treten Imame des türkischen Religionsamtes Diyanet ebenso in Graue-Wölfe-Moscheen wie bei DITIB auf und es werden gemeinsam mit Milli Görüş Kundgebungen organisiert.“