Jurist:innen rufen zum Widerstand auf
Die Anwaltskammern in Riha (tr. Urfa) und Wan (Van) haben scharfe Kritik an dem jüngst ins türkische Parlament eingebrachten Gesetzesentwurf geübt, der weitreichende Eingriffe in den Schutzstatus von Olivenplantagen, Wald-, Sumpf- und Weideflächen vorsieht. Im Fokus steht die geplante Freigabe dieser ökologisch sensiblen Gebiete für Bergbau- und Energieprojekte.
Bei einer Pressekonferenz in Riha warnte Adlan Yapıcı, Vorsitzender der Umwelt- und Stadtentwicklungskommission der dortigen Anwaltskammer, vor den Folgen: „Mit diesem Gesetzentwurf sollen nicht nur Wälder und Olivenhaine, sondern auch Weideflächen, Agrarland und geschützte Naturräume pauschal als Bergbauzonen ausgewiesen werden. Es geht hier nicht um das Gemeinwohl, sondern um die Profitinteressen einiger weniger Unternehmen.“
Die Lockerung von Genehmigungsprozessen für Bauprojekte in Waldgebieten, die Öffnung von Weideflächen für Energieanlagen sowie eine mögliche Legalisierung illegaler Bauten seien, so Yapıcı, mit den Prinzipien von Nachhaltigkeit und Rechtsstaatlichkeit unvereinbar. „Ein gesunder Lebensraum ist keine Option, sondern eine Voraussetzung für jede Form von wirtschaftlicher Entwicklung“, betonte er.
Yapıcı rief alle Berufsverbände, zivilgesellschaftlichen Organisationen, Bürgerinnen und Bürger sowie im Parlament vertretene politische Parteien zum Widerstand gegen den Gesetzesentwurf auf. „Dieses Land gehört allen – nicht nur einigen wenigen Konzernen.“
Systematische Aushöhlung von Eigentums- und Verfahrensrechten
Auch in Wan äußerte sich die dortige Anwaltskammer kritisch. Gülbahar Doğan, Vorsitzende der Kommission für Umwelt und Ökologie, warnte vor einer systematischen Aushöhlung von Eigentums- und Verfahrensrechten. „Durch eine einfache Entscheidung des Präsidenten oder eines Ausschusses könnten künftig Menschen ohne Anhörung ihr Weideland oder ihre Felder verlieren. Das verstößt gegen das Recht auf Eigentum und faire Verfahren“, sagte Doğan.
Sie kritisierte zudem die geplante Einführung eines Mechanismus für beschleunigte Enteignungen ohne fundierte Prüfung des öffentlichen Interesses: „Eine solche Regelung hebelt rechtsstaatliche Prinzipien aus und öffnet Tür und Tor für Willkür.“
Die Anwaltskammern fordern die Rücknahme des Gesetzesentwurfs und eine umfassende gesellschaftliche Debatte über Natur-, Umwelt- und Eigentumsrechte in der Türkei.