„Naturzerstörung ist kein Nebenschauplatz – sondern Krieg gegen Gesellschaft“

Der neue Ökologie-Rat von Amed hat in seiner Gründungserklärung ein radikales Umdenken im Umgang mit Umwelt, Gesellschaft und Widerstand gefordert: „Nur mit basisdemokratischer Organisation können wir der ökologischen Zerstörung etwas entgegensetzen.“

Gründungserklärung des Ökologieparlaments von Amed

Der Ökologie-Rat von Amed (tr. Diyarbakır) hat am Montagabend seine Gründungserklärung veröffentlicht und darin zu einer umfassenden gesellschaftlichen Mobilisierung gegen Umweltzerstörung und kapitalistische Ausbeutung aufgerufen. „Der ökologische Kampf ist ein zentraler Bestandteil des demokratischen Aufbaus und keine Randfrage“, heißt es in der Erklärung des Rates, der sich am 15. Juni offiziell konstituiert hatte.

Natur und Gesellschaft kollektiv verteidigen

Der Text kritisiert, dass bisherigen Umweltprotesten oft ein lokaler, unverbundener und individueller Charakter anhaftete. Dies reiche angesichts der systematischen, organisierten Naturzerstörung durch Staat, Krieg und Kapitalinteressen in Kurdistan nicht mehr aus. Stattdessen fordert der Rat den Aufbau lokaler Kommunen, Kommissionen und ökologischer Versammlungen, „um Natur und Gesellschaft kollektiv zu verteidigen“.

Zusammenhang zwischen Krieg und Umweltzerstörung

Die Erklärung stellt einen engen Zusammenhang zwischen Krieg und Umweltzerstörung her: Jahrzehntelange Militäroperationen in den kurdischen Provinzen hätten nicht nur Gesellschaften, sondern auch Ökosysteme nachhaltig geschädigt. „Die unter dem Vorwand von ‚Sicherheitsmaßnahmen‘ abgeholzten Wälder, vergifteten Böden und zerstörten Lebensräume sind Resultate einer Politik, die Krieg gegen Natur und Gemeinschaft gleichermaßen führt.“

Kontrolle über Natur und Frauen speist sich aus derselben Logik

Auch die patriarchale Herrschaft wird direkt mit der Zerstörung ökologischer Grundlagen in Verbindung gebracht. Die Kontrolle über Natur und Frauen speise sich aus derselben Logik, so die Analyse. Entsprechend könne der Kampf um eine befreite Gesellschaft nur als gemeinsamer Kampf von Frauen- und Umweltbewegung verstanden werden.

Plünderung von Wasser, Boden und biologischer Vielfalt

Ein zentrales Thema ist die massive Ausbeutung der natürlichen Ressourcen in der Region. Internationale Konzerne und lokale Eliten betrieben unter staatlicher Duldung die Plünderung von Wasser, Boden und biologischer Vielfalt. Der Bau von Staudämmen, der Einsatz toxischer Pestizide in der industriellen Landwirtschaft sowie die Ausweitung von Tagebauen hätten tausende Menschen aus ihren Dörfern vertrieben und traditionelle Lebensweisen zerstört. Der Rat fordert stattdessen kooperative, kleinbäuerliche Wirtschaftsmodelle, die an den Prinzipien einer ökologischen Ökonomie orientiert sind.

Das Ziel: Demokratisch-kommunale Gesellschaft im Einklang mit der Natur

Künftig sollen auch Bildungsangebote zum Aufbau eines ökologischen Bewusstseins beitragen: Von Naturpädagogik für Kinder bis zur Gründung einer eigenen Ökologie-Akademie sei ein umfassender Bildungsansatz notwendig. Ziel sei eine Gesellschaft, „die frei ist von Hierarchie, Klassenherrschaft und Ausbeutung – eine demokratisch-kommunale Gesellschaft im Einklang mit der Natur“.

„Es gibt keine Zeit mehr zu verlieren“

Zum Abschluss der Erklärung wurde eine mehrmonatige Arbeitsstruktur verabschiedet. Der Rat will vierteljährlich zusammenkommen und konkrete Initiativen zu Land- und Forstschutz, Umweltmonitoring und Widerstandsaktionen koordinieren. Die Koordination soll paritätisch und basisdemokratisch erfolgen. „Unser Appell an die Bevölkerung ist deutlich: Es gibt keine Zeit mehr zu verlieren. Jeder Ort, jedes Dorf, jede Stadt muss Teil eines ökologischen Widerstandsnetzwerks werden. Der Kampf um die Natur ist ein Kampf um Würde – und ein Kampf um die Zukunft“, heißt es abschließend.