Anfrage beim Menschenrechtsausschuss des Parlaments
Wegen einer Feier zum kurdischen Neujahrsfest Newroz haben sechs politische Insassinnen im Hochsicherheitsgefängnis in Wan (tr. Van) Disziplinarstrafen erhalten. Wie ihre Anwält:innen berichten, wirft die Gefängnisleitung der Vollzugsanstalt vom Typ T den Frauen vor, mit ihrem Verhalten „Angst, Sorge oder Panik“ ausgelöst zu haben. Zwei von ihnen wurden mit Arrest in Einzelzellen, vier weitere mit Besuchsverboten belegt.
Zu den betroffenen Frauen gehört auch die Journalistin Reyhan Hacıoğlu, die vor zwei Wochen entlassen wurde, sowie die Aktivistinnen Hividar Aydın, Ayşe Düzen, Belma Nergiz, Felem Aker und Jiyan Alpsar. Sie hatten am 21. März durch das symbolische Entzünden von Zeitungspapier eine Newroz-Feier im Innenhof initiiert, nachdem ein offizieller Antrag bei der Anstaltsleitung unbeantwortet geblieben war. Zwei Tage später leitete die Disziplinarkommission des Gefängnisses ein Verfahren ein, das in Sanktionen mündete. Ein daraufhin eingelegter Widerspruch wurde vom zuständigen Strafvollstreckungsgericht Mitte Mai abgelehnt.
Bereits im Zusammenhang mit einer Aktion zum Internationalen Frauentag am 8. März waren Disziplinarmaßnahmen gegen dieselben Gefangenen verhängt worden – in jenem Fall allerdings mit erfolgreichem Einspruch.
Parlamentarische Anfrage durch DEM-Partei
Die Abgeordneten Mahmut Dindar, Gülcan Kaçmaz Sayyiğit und Gülderen Varlı von der Partei der Völker für Gleichheit und Demokratie (DEM) haben den Fall beim Menschenrechtsausschuss des türkischen Parlaments eingebracht. In ihrer Eingabe machen sie auf weitere Missstände in der Justizvollzugsanstalt aufmerksam, darunter unzureichende Hygieneprodukte für Frauen, eingeschränkte Zugangsmöglichkeiten zu Frischluft sowie mangelnde Rücksicht auf geschlechterspezifische Bedürfnisse im Strafvollzug.
Die Abgeordneten fordern eine umfassende Überprüfung der verhängten Disziplinarstrafen im Hinblick auf internationale Menschenrechtsstandards. Zudem sprechen sie sich für eine strukturelle Reform im Strafvollzug aus, um eine an den Bedürfnissen weiblicher Gefangener orientierte Haftführung sicherzustellen.
Kritik an restriktiver Kulturpolitik im Gefängnis
In dem Antrag wird außerdem die Rolle kultureller Ausdrucksformen in der Haft thematisiert. Die unterbundene Newroz-Feier sei ein Beispiel dafür, wie kulturelle Identität und religiöse Ausdrucksformen im Gefängnisalltag systematisch eingeschränkt würden, so die Abgeordneten.
Sie regen in diesem Zusammenhang an, einen noch im Justizausschuss des Parlaments anhängigen Gesetzesentwurf prioritär zu behandeln. Dieser sieht vor, dass etwa das Singen von Parolen oder Hymnen künftig nicht mehr automatisch als disziplinarwürdiger Verstoß gilt.
Abschließend fordern die Parlamentarier:innen, dass die Missstände in der Justizvollzugsanstalt in Wan vor Ort vom Unterausschuss für die Rechte von Gefangenen und Inhaftierten geprüft und dokumentiert werden. Die Ergebnisse sollten dem Parlament in Form eines offiziellen Berichts vorgelegt werden.