Keine Gerechtigkeit für getötete Kurden aus Hirareş
Die Initiative der Samstagsmütter hat sich zum 1057. Mal auf dem Istanbuler Galatasaray-Platz versammelt, um Aufklärung über das Schicksal von Menschen zu fordern, die in Staatsgewalt verschwunden sind. Im Mittelpunkt des dieswöchigen Protests stand die Ermordung von fünf Dorfbewohnern aus dem kurdischen Dorf Hirareş in Basa (tr. Güçlükonak) bei Şirnex (Şırnak) im Jahr 1993.
Festgenommen, misshandelt, erschossen
Mit Porträts der Verschwundenen und roten Nelken gedachten die Teilnehmenden der Opfer. Die Menschenrechtlerin Sebla Arcan schilderte die damaligen Geschehnisse: Im Juni 1993 wurden im Dorf Hirareş mehrere Zivilpersonen – Ömer Çetin, Ahmet Güler, Sait Şen, Beşir Başkak und Abdullah Güler – bei einer Razzia von Gendarmerie und Dorfschützern festgenommen. Die Männer wurden zunächst in einer Schule zusammengetrieben und misshandelt. Ömer Çetin brachte man anschließend für eine Durchsuchung in sein Haus. „Ihm wurde angedroht, seine Ehefrau unbekleidet durch das Dorf zu führen, wenn er nicht reden würde. Er unternahm daraufhin einen Fluchtversuch und sprang vom Balkon seines Hauses. Die Soldaten eröffneten das Feuer auf ihn und verletzten ihn schwer. Später wurden alle fünf Männer sowie eine sechste Person, ebenfalls mit dem Namen Ahmet Güler, unter dem Vorwand einer Vernehmung mit verbundenen Augen abgeführt.“

Einige Tage später kehrte letzterer schwer verletzt ins Dorf zurück. Laut seiner Aussage wurden zwei der Männer – Ömer Çetin und sein Namensvetter – erschossen, die übrigen vier in ein abgelegenes Feld gebracht und in eine Grube geworfen. „Auch auf sie wurde geschossen, zudem warfen die Soldaten wohl auch einen Sprengsatz – möglicherweise eine Handgranate – in die Grube. Sait Şen, Beşir Baskak und Abdullah Güler wurden getötet. Ahmet Güler überlebte unter den Körpern seiner Freunde und Verwandten“, schilderte Arcan.
Keine Ermittlungen trotz Zeugenaussagen
Die Familien fanden später die Leichen ihrer Angehörigen und bestatteten sie aus Furcht vor weiterer Verfolgung ohne offizielle Zeremonie. In der Folge wurden sie aus ihrem Dorf vertrieben. Ahmet Güler, der seither ein Leben mit massiven körperlichen und seelischen Einschränkungen führt, wandte sich an die Öffentlichkeit. Doch trotz detaillierter Schilderungen und eines Schreibens der Menschenrechtsorganisation Amnesty International an die damalige Regierung unter Tansu Çiller wurde kein strafrechtliches Verfahren eingeleitet, betonte Arcan. Erst im Jahr 2012 wurden die Leichname der Ermordeten auf Anordnung einer Staatsanwaltschaft in Amed (Diyarbakır) ausgegraben und den Angehörigen übergeben.
„Wir geben die Suche nicht auf“
„Seit 32 Jahren warten diese Familien nun auf Gerechtigkeit. Die Täter wurden bis heute nicht zur Rechenschaft gezogen“, sagte Arcan.
Ali Ocak, Bruder des 1995 von der Istanbuler Polizei zu Tode gefolterten Hasan Ocak, sagte in seiner Rede: „Unsere Eltern haben uns diese Suche hinterlassen. Wenn unsere Lebenszeit nicht ausreicht, werden wir diesen Kampf unseren Kindern und Enkelkindern vererben.“
Die Kundgebung endete mit dem Niederlegen von Blumen auf dem Galatasaray-Platz.