Samstagsmütter: Wo ist der Leichnam von Veysel Güney?

Seit mehr als 1000 Wochen fordern die Samstagsmütter Gerechtigkeit für die Verschwundenen. Heute erinnerten sie an Veysel Güney aus Dîlok, der 1981 hingerichtet wurde – sein Grab bleibt bis heute verschwunden.

„Kein Grab, kein Frieden, kein Vergessen“

Auf dem Istanbuler Galatasaray-Platz haben sich auch diese Woche Mitglieder der Initiative der Samstagsmütter und Unterstützende versammelt, um an die Opfer des gewaltsamen Verschwindenlassens und staatlicher Gewalt in der Türkei zu erinnern. Die Mahnwache fand bereits zum 1054. Mal statt. Im Mittelpunkt stand diesmal das Schicksal von Veysel Güney, der 1981 unter der Militärdiktatur hingerichtet wurde – seine Leiche wurde nie an die Familie übergeben.

An der Kundgebung nahmen neben den Angehörigen auch Vertreter:innen der Zivilgesellschaft sowie die frauenpolitische Sprecherin der DEM-Partei, Halide Türkoğlu, teil. Fotos der Verschwundenen und rote Nelken wurden wie gewohnt auf dem Platz niedergelegt – ein symbolischer Akt, da viele der Betroffenen bis heute kein bekanntes Grab haben.

Fall Veysel Güney: Hingerichtet, verschwunden, unvergessen

Zeynep Yıldız, Mitglied der Kommission für Verschwundene beim Menschenrechtsverein IHD, schilderte den Fall von Veysel Güney: „Der damals 24-Jährige wurde am 28. Dezember 1980 bei einer Hausdurchsuchung in Gaziantep verletzt und festgenommen. Vor einem Militärgericht ist ihm das Recht auf Verteidigung verweigert worden, und obwohl keine eindeutigen Beweise gegen ihn vorlagen, wurde er bereits im Februar 1981 zum Tode verurteilt und am 10. Juni desselben Jahres hingerichtet.“

Offiziellen Protokollen zufolge sei der Leichnam Güneys zur Übergabe an die Familie an einen Offizier ausgehändigt worden – die Angehörigen erhielten ihn jedoch nie. Erst Jahre später fanden sie Hinweise auf ein anonymes Grab auf einem städtischen Friedhof in Dîlok (tr. Gaziantep). Eine DNA-Analyse brachte jedoch keine eindeutige Bestätigung, was in der Familie wie auch in der Öffentlichkeit Zweifel an der Authentizität der Proben aufkommen ließ.

Stimmen der Angehörigen: „Wir hatten nie ein Bayram“

Ein bewegender Brief von Ayhan Güney, dem Bruder von Veysel, wurde bei der Versammlung von einem Freund der Familie verlesen. Darin heißt es: „Veysel lebt in unseren Erinnerungen weiter – in unseren Gedanken, in Erzählungen seiner Freund:innen und in der Trauer unserer Eltern.“ Die Mutter sei 2012 verstorben, ohne je über den Schmerz sprechen zu können. Der Vater habe bis zu seinem Tod 2014 gehofft, ein Grab für seinen Sohn zu finden.

Auch andere Angehörige verschwundener Personen ergriffen das Wort. Sevim Erişti, deren Bruder Yusuf vor Jahrzehnten verschwand, sagte: „Wir haben seit 30 Jahren kein einziges Fest mehr gefeiert. Wir wollen nur einen Grabstein“, betonte sie mit Blick auf das muslimische Opferfest. Hanife Yıldız, Mutter von Murat Yıldız, erklärte, sie habe seit dem Verschwinden ihres Sohnes keine Feiertage mehr begehen können.

Mikail Kırbayır, Bruder von Cemil Kırbayır, der als erstes Opfer der Praxis des „Verschwindenlassens“ in staatlichem Gewahrsam nach dem Militärputsch von 1980 in der Türkei gilt, kritisierte die anhaltenden Zugangsbeschränkungen am Galatasaray-Platz: „Seit der Ermordung von Hasan Ocak ist dieser Platz ein Ort des Gedenkens – wir werden hier weiter unsere Fragen stellen.“

Auch Hanım Tosun, Ehefrau des 1995 in Istanbul verschwundenen Fehmi Tosun, sprach Klartext: „Die Welt hat unsere Stimmen von Galatasaray aus gehört. Seit 30 Jahren suchen wir nicht nur nach den Knochen unserer Angehörigen, sondern auch nach Gerechtigkeit. Diese Polizeibarrikaden hier sind das Symbol einer kollektiven Schuld.“

Forderung nach Gerechtigkeit bleibt bestehen

Die Kundgebung endete mit dem symbolischen Ablegen von Nelken auf dem Platz – als Zeichen der Erinnerung an die Vermissten und als Mahnung an Staat und Gesellschaft. Die Samstagsmütter fordern weiterhin die strafrechtliche Verfolgung der Verantwortlichen und die Anerkennung des staatlichen Unrechts an ihren Familien.