Bergbau als „Virus“: Pîrejman im Würgegriff von Vertreibung

In den 90ern wurde Pîrejman von der türkischen Armee zwangsgeräumt und niedergebrannt. Nach der Rückkehr in den 2000er Jahren bedroht nun der großflächige Bergbau erneut die Existenz der Dorfbevölkerung.

Feinstaub forderte bereits Menschenleben

Trotz anhaltender Kritik setzt das Unternehmen „Ölmez Doğu Madencilik“ seine umstrittenen Bergbauaktivitäten im Landkreis Pîran (tr. Dicle) in der kurdischen Provinz Amed (Diyarbakır) fort. Das Unternehmen, das auf die Förderung von Blei und Zink spezialisiert ist, gehört dem Geschäftsmann Ismet Ölmez, der bei den Kommunalwahlen 2024 als AKP-Bürgermeisterkandidat für Colemêrg (Hakkari) antrat.

Nach Angaben von Anwohnenden und zivilgesellschaftlichen Organisationen gefährden die bereits seit Jahren andauernden Arbeiten in den ländlichen Ortsteilen Pîrejman und Herido Umwelt, landwirtschaftliche Flächen und die Gesundheit der Bevölkerung. Doch ein Einlenken der Behörden ist nicht in Sicht.

Flächenvergrößerung trotz Kritik

Im Juli 2022 stellte das Unternehmen einen Antrag auf Kapazitätserweiterung bei der zuständigen Behörde. Das Ministerium für Umwelt, Stadtplanung und Klima erteilte nur einen Monat später eine positive Umweltverträglichkeitsprüfung (ÇED) und genehmigte die Ausweitung der Suchfläche von knapp 25 auf mehr als 530 Hektar. Infolge der Arbeiten kam es in Pîrejman und Herido zu erheblichen ökologischen Schäden: Hunderte Bäume wurden gefällt, Felder unbrauchbar gemacht. Anwohnende berichten über Sprengungen mit Dynamit, die zu Gebäudeschäden geführt haben, sowie über Staubbelastung, die Weinberge und Gärten austrocknen ließ. Zudem seien Zufahrtsstraßen durch den Schwerlastverkehr kaum noch befahrbar.

Gesundheitliche Folgen und juristische Schritte

Der Dorfvorsteher von Pîrejman, Mehmet Ulgaç, erinnerte im Gespräch mit der Journalistin Heval Önkol daran, dass der Ort im Jahr 1992, als der Krieg des türkischen Staates in Kurdistan besonders schmutzig war, von der Armee zwangsgeräumt und niedergebrannt wurde. Erst in den 2000er Jahren begannen Rückkehrer:innen, Pîrejman und die benachbarten Dörfer wieder zu besiedeln und neu aufzubauen. Heute seien es großangelegte Infrastruktur- und Energieprojekte wie Bergbau, Erdölförderung, Staudämme und Wasserkraftwerke, die eine Verdrängung der Bevölkerung zur Folge hätten, so Ulgaç.

„Das Bergwerk hat sich wie ein Virus in unser Dorf ausgebreitet“, sagte er. Die Menschen seien dauerhaft der Belastung durch Staub und Emissionen ausgesetzt – mit teils schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen. „Einige Dorfbewohner:innen sind bereits an Lungenkrankheiten verstorben“, so Ulgaç. Einer der Betroffenen war der Vater des Dorfvorstehers.

„2006, als es hier noch keine Bergbauaktivitäten gab, hatte mein Vater eine chronische Bronchitis. Auf ärztlichen Rat hin brachten wir ihn zurück ins Dorf, weil die Luft hier als sauber galt. Doch nachdem der Bergbau 2012–2013 begann, musste er fünfmal auf die Intensivstation – und starb vor zwei Jahren. Auslöser waren laut den behandelnden Ärzten die feinen Stäube aus den Minenarbeiten. Der feine Staub wirkt wie ein schleichendes Gift. Wir kämpfen hier buchstäblich ums Überleben“, so Ulgaç.

Ein Baum bedeutet ein Leben

Aktuell laufen rechtliche Verfahren gegen das Projekt. Ulgaç und weitere Bewohner:innen fordern ein sofortiges Ende der Arbeiten und Unterstützung durch die Zivilgesellschaft. „Die Natur ist unsere Lebensgrundlage. Ein Baum bedeutet ein Leben“, sagt er.

ÖHD und DEM im Einsatz für Pîrejman und Herido

Vergangene Woche besuchten Vertreter:innen der Anwaltsvereinigung ÖHD sowie der Partei der Völker für Gleichheit und Demokratie (DEM) die betroffenen Gebiete. Die Delegation dokumentierte die Auswirkungen vor Ort und sprach mit der Bevölkerung von Pîrejman. Mehrere Bewohner:innen berichteten von einer spürbaren Verschlechterung ihrer Lebensqualität. „Dieses Jahr ist keine einzige Mandel gereift“, sagte die 86-jährige Hatun Akay. „Wenn gesprengt wird, bebt unser Haus. Danach ist die Luft voller Staub – wir können kaum noch atmen.“

Auch Abdullah Izgi beklagte, dass durch die Umweltbelastung keine landwirtschaftliche Produktion mehr möglich sei. „Wenn nichts mehr wächst, verlassen die Menschen das Dorf. Es findet eine schleichende Entvölkerung statt.“ Er rief zivilgesellschaftliche Gruppen zur Unterstützung auf: „Es geht um den Schutz unserer gesamten Region.“

„Tiere und Pflanzen leiden mit uns“

Die asthmakranke Anwohnerin Ayşe Yurtsever schilderte, dass sie ihre Türen und Fenster schließen müsse, sobald sich der Staub ausbreite. „Nicht nur wir Menschen leiden – auch Tiere und Pflanzen sind betroffen. Diese Arbeiten müssen aufhören.“

Ähnlich äußerte sich die 87-jährige Şini Ezgi: „Nichts wächst mehr in unserem Garten. Der Staub hat alles erstickt. Wir fordern, dass die Arbeiten gestoppt werden.“

Der Landwirt Hüsnü Yurtsever ergänzte, dass die Region einst für ihre hochwertigen landwirtschaftlichen Produkte bekannt gewesen sei. „Früher war der Geschmack unserer Tomaten und Gurken einzigartig. Heute wächst nichts mehr. Die Bäume tragen keine Früchte. Wir wollen, dass dieses Projekt gestoppt wird – bevor unsere Lebensgrundlage vollständig zerstört ist.“