Kurdische Sängerin Nûdem Durak droht im Gefängnis ihre Stimme zu verlieren

Seit 2015 sitzt die kurdische Sängerin Nûdem Durak in der Türkei in Haft – verurteilt wegen kurdischer Lieder mit politischem Inhalt. Nun verschlechtert sich ihr Gesundheitszustand zunehmend. Die Gefahr: Sie könnte ihre Stimme verlieren.

„Verurteilt wegen ihrer Stimme – jetzt verliert sie sie“

Die kurdische Musikerin Nûdem Durak, seit fast einem Jahrzehnt in der Türkei inhaftiert, ist schwer krank und in akuter gesundheitlicher Gefahr. Nach Angaben ihrer Familie leidet die 37-Jährige unter anderem an der Graves-Krankheit (Morbus Basedow) sowie fortgeschrittener Osteoporose – und droht nun ausgerechnet das zu verlieren, was ihr einst die Verurteilung einbrachte: ihre Stimme.

„Sie wurde wegen ihrer Stimme verurteilt. Jetzt droht sie, genau diese Stimme zu verlieren“, sagt ihre Mutter Hatice Durak, die sich seit Jahren für die Freilassung ihrer Tochter einsetzt. Sie fordert medizinische Versorgung außerhalb der Haft – und die Freilassung aller schwerkranken politischen Gefangenen in der Türkei.

Verurteilt wegen kurdischer Lieder

Nûdem Durak wurde 2015 in Şirnex (tr. Şırnak) festgenommen und später in zwei Verfahren zu insgesamt 19 Jahren Haft verurteilt. Der Vorwurf: Mitgliedschaft in einer „terroristischen Organisation“. Grundlage der Anklage war vor allem, dass sie Lieder in kurdischer Sprache mit politischem Inhalt gesungen hatte.


Zunächst war sie in Haftanstalten in Amed (Diyarbakır) und Mêrdîn (Mardin) untergebracht, später wurde sie nach Bayburt im Nordosten Anatoliens verlegt. Aktuell befindet sie sich im Frauengefängnis von Erzincan.

Stimmband-Operation birgt Gefahr

Nach Angaben ihrer Familie verschlechtert sich ihr Gesundheitszustand zusehends. In Bayburt sei sie regelmäßig zur Behandlung in die Universitätsklinik Erzurum gebracht worden. Dort hätten Ärzt:innen eine Operation vorgeschlagen – ein Eingriff, der jedoch ihre Stimmbänder dauerhaft schädigen könnte. „Nûdem hat die Operation abgelehnt“, berichtet ihre Mutter. „Sie sagte: ‚Wenn ich meine Stimme verliere, bleibt nichts mehr von mir übrig.‘“ Die medikamentöse Therapie zeige bislang kaum Wirkung.

Massive Belastung auch für Angehörige

Neben der gesundheitlichen Situation kritisiert die Familie auch die Haftbedingungen. Nûdem habe stark an Gewicht verloren, sei körperlich erschöpft und psychisch angegriffen. Ihre Mutter beschreibt: „Ihre Haare sind inzwischen ganz weiß geworden. Jede Verlegung zur Klinik erfolgt schwer gefesselt – auch das ist eine Form von psychischer Gewalt.“

Auch die Angehörigen sind belastet. Die weite Entfernung des Gefängnisses erschwert die Besuche massiv. Bei einer Fahrt zum Besuch war die Familie im vergangenen Jahr sogar in einen schweren Verkehrsunfall verwickelt. „Für uns ist die Entfernung wie eine zusätzliche Strafe“, so Hatice Durak.

Appell für Frieden und gemeinsame Verantwortung

In ihrem Appell ruft Hatice Durak auch zur ethnienübergreifenden Solidarität auf. „Wir wollen Frieden. Wir wollen, dass niemand mehr leidet – auch nicht auf der anderen Seite. Aber auch türkische Mütter müssen sich gegen diesen Krieg stellen.“ Sie verweist auf das gemeinsame Leid beider Seiten: „Sie sagen, sie haben Gefallene – wir auch. Sie haben Gräber – wir nicht einmal das. Trotzdem fordern wir Frieden. Nur durch Dialog kann das Blutvergießen enden.“

NGOs fordern Freilassung

Mehrere Organisationen, darunter der Menschenrechtsverein IHD und die Jurist:innenvereinigung ÖHD, fordern die sofortige Freilassung von Nûdem Durak. Ihre Haft sei angesichts ihres Gesundheitszustands nicht länger vertretbar. Auch hunderte weitere kranke Gefangene befänden sich in türkischen Gefängnissen in ähnlich lebensbedrohlichen Situationen, betonen sie.

Internationale Solidarität

Die Inhaftierung Nûdem Duraks hat auch internationales Aufsehen erregt. Prominente wie Roger Waters, Angela Davis oder Noam Chomsky haben sich öffentlich für ihre Freilassung ausgesprochen. Weltweit fanden Konzerte, Solidaritätskampagnen und Petitionen statt. Die Sängerin gilt als Symbolfigur für die Repression gegen kurdische Kunst und Kultur in der Türkei. Zahlreiche Kulturschaffende wurden in den vergangenen Jahren strafrechtlich verfolgt – nicht selten allein wegen ihrer Sprache oder politischen Haltung. Kritiker:innen sehen darin einen gezielten Angriff auf kulturelle Identität und Meinungsfreiheit.