Exekutionspraxis erreicht neuen Höchststand
Nach Angaben der in Norwegen ansässigen Organisation Iran Human Rights (IHR) stellt der zurückliegende Monat mit 152 vollzogenen Hinrichtungen einen neuen Höhepunkt in der Exekutionspraxis des iranischen Regimes dar. Die Gesamtzahl der Hinrichtungen in den ersten fünf Monaten des Jahres liegt mit mindestens 511 Fällen um 96 Prozent höher als im Vorjahreszeitraum.
„Die Todesstrafe wird in Iran als politisches Unterdrückungsinstrument eingesetzt“, sagt IHR-Direktor Mahmood Amiry-Moghaddam. „Die meisten der Hingerichteten erhalten kein faires Verfahren. Sie stammen oftmals aus besonders marginalisierten Bevölkerungsgruppen.“ Trotz der drastischen Zunahme habe die internationale Gemeinschaft bisher unzureichend reagiert. Amiry-Moghaddam appelliert an die Vereinten Nationen, die Europäische Union und Regierungen mit diplomatischen Beziehungen zu Iran, die Kosten für die Exekutionen politisch zu erhöhen: „Ohne entschiedene Gegenreaktion werden wir in den kommenden Monaten Hunderte weitere Hinrichtungen erleben.“
Überblick Mai
▪ Mindestens 152 Hinrichtungen, davon nur 15 (10 Prozent) offiziell bestätigt
▪ 74 Personen wurden wegen „vorsätzlichen Mordes“ auf Grundlage des Qisas-Prinzips (Vergeltung) hingerichtet
▪ 68 Personen wurden wegen Drogendelikten exekutiert
▪ Vier Menschen starben wegen angeblicher staatsgefährdender Verbrechen wie „Moharebeh“ (Feindschaft gegen Gott), „Efsad-fil-Arz“ (Korruption auf Erden) oder „Baghy“ (bewaffneter Aufstand)
▪ Unter den Hingerichteten: vier Frauen, 19 Belutsch:innen, neun Kurd:innen, zwei Araber:innen, fünf Afghan:innen und eine nicht identifizierte ausländische Person
▪ Eine Exekution fand öffentlich statt
Hinrichtungen durch Angehörige
Besondere Besorgnis ruft die Praxis hervor, wonach Angehörige der Opfer bei Qisas-Urteilen die Exekution persönlich vollziehen dürfen. Im Mai wurden laut IHR zwei Männer von ihren eigenen Onkeln gehängt: Hassan Saei wurde am 6. Mai im Zentralgefängnis von Täbris hingerichtet. Ihm wurde der Mord an seinem Cousin vorgeworfen. Die Exekution wurde von seinem Onkel als Kläger vollzogen. Alireza Gholibeigi, 33 Jahre alt, war ebenfalls wegen des Mordes an einem Cousin zum Tode verurteilt worden. Die Hinrichtung erfolgte am 19. Mai im Zentralgefängnis von Qom – ebenfalls durch einen Onkel.
IHR fordert internationale Intervention
Die zunehmende Anwendung der Todesstrafe fällt mit landesweiten sozialen Spannungen zusammen, darunter zuletzt Streiks im Transportsektor. IHR befürchtet, dass das Regime gezielt auf Massenhinrichtungen setzt, um künftige Proteste zu unterbinden. Amiry-Moghaddam fordert angesichts dieser Entwicklung eine dringende internationale Intervention, um das iranische Regime von weiteren Hinrichtungen abzuhalten und die Menschenrechtslage langfristig zu verbessern.