Samstagsmütter: Wo ist Mehmet Sait Zengin?

Zum 1053. Mal haben sich die Samstagsmütter auf dem Istanbuler Galatasaray-Platz versammelt, um Aufklärung über das Schicksal von Verschwundenen zu fordern. Im Mittelpunkt stand der Fall von Mehmet Sait Zengin, der 1995 in Midyad verschleppt wurde.

30 Jahre Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit

Mit ihrer 1053. Mahnwache haben die Samstagsmütter ihr 30-jähriges Bestehen begangen. Auf dem symbolträchtigen Galatasaray-Platz in Istanbul forderten sie erneut Aufklärung über das gewaltsame Verschwinden von Personen in staatlichem Gewahrsam. „Seit dem 27. Mai 1995 fordern wir Aufklärung, Wahrheit und Gerechtigkeit. Ohne ein Ende der Straflosigkeit kann es keine Gerechtigkeit geben – und ohne Gerechtigkeit keinen gesellschaftlichen Frieden“, erklärte Ikbal Eren zu Beginn der Mahnwache.

Im Mittelpunkt der dieswöchigen Aktion stand Mehmet Sait Zengin, ein 36-jähriger Gewerbetreibender aus Midyad und Mitglied der damaligen pro-kurdischen Partei HADEP. Laut Angaben seiner Familie wurde der Kurde wiederholt von Sicherheitskräften bedroht, festgenommen und gefoltert. Am 6. Mai 1995 wurde er von mutmaßlichen Polizisten in Zivil verschleppt und in einem weißen Renault des Typs Toros abtransportiert. Die damals typischen Dienstfahrzeuge des Militärgeheimdienstes JITEM gelten als Symbole des antikurdischen Staatsterrors der 1990er Jahre. 

Hinweise auf den Verbleib Zengins gibt es seither nicht. Die Familie des vierfachen Vaters wurde bei Nachforschungen in Midyad und Mêrdîn (tr. Mardin) immer wieder mit dem Tod bedroht, gab die Suche aber nicht auf. Eine wiederaufgenommene Ermittlungsakte liegt laut Ikbal Eren seit Jahren unbearbeitet bei der Staatsanwaltschaft in Midyad. Die türkische Justiz wolle die Sache offenbar so lange hinauszögern, bis die Verjährung eintritt. „Wir werden den Kampf nicht aufgeben und die fortdauernde Praxis des institutionellen Schweigens nicht akzeptieren“, sagte Eren. Es sei Aufgabe des Staates, nach internationalem Recht und den Grundsätzen rechtsstaatlicher Verantwortung für Aufklärung zu sorgen.

Ikbal Eren ist die Schwester des 1980 verschwundenen Hayrettin Eren

Gruß von Emine Ocak

Hanife Yıldız, Mutter des 1995 in Polizeihaft verschwundenen Murat Yıldız, übermittelte den Gruß der mittlerweile hochbetagten Emine Ocak. Die 89-Jährige gilt als Symbol der Samstagsmütter. Es war die Kurdin, die die am längsten in der Türkei andauernde Aktion des zivilen Ungehorsams ins Rollen brachte, nachdem ihr Sohn Hasan Ocak an Newroz 1995 in Istanbul festgenommen und zu Tode gefoltert wurde. „Seit 30 Jahren fordern wir Wahrheit – doch viele Mütter starben, ohne das Schicksal ihrer Kinder zu erfahren“, so Yıldız.

Die Mahnwache endete mit dem symbolischen Niederlegen von roten Nelken auf dem abgesperrten Galatasaray-Platz.