Êlih: Mobbing und Machtmissbrauch im zwangsverwalteten Rathaus

In der von einem Zwangsverwalter geführten Stadtverwaltung von Êlih klagen Mitarbeitende über systematisches Mobbing und psychische Gewalt. Eine Soziologin erlitt einen Nervenzusammenbruch und erstattete Anzeige. Die Gewerkschaft Genel-İş schlägt Alarm.

„Mach Tee statt Sozialarbeit“

In der kurdischen Metropole Êlih (tr. Batman) sind schwere Mobbing-Vorwürfe gegen die kommunale Verwaltung unter Zwangsaufsicht laut geworden. Seit der Absetzung der gewählten Bürgermeisterin Gülistan Sönük (DEM) im vergangenen November häufen sich laut Gewerkschaftsangaben Berichte über Einschüchterung, Arbeitsdruck und gezielte Schikanen gegen Beschäftigte – insbesondere gegen Frauen.

Wie nun bekannt wurde, erlitt die Soziologin Rojin Akat, Sozialarbeiterin im Amt für Frauen- und Familienangelegenheiten, vor rund zwei Wochen während der Arbeitszeit einen Nervenzusammenbruch. Nach Angaben von Kolleginnen musste ein Krankenwagen gerufen werden. Noch am selben Tag reichte Akat bei der Polizei Strafanzeige wegen „Amtsmissbrauchs“ gegen ihre Vorgesetzte Esen Tunç ein.

In ihrer schriftlichen Beschwerde schildert Akat detailliert die Zustände im Amt: Sie sei trotz ihrer Qualifikation zur Erbringung von Teediensten gezwungen worden, habe private Aufgaben ihrer Vorgesetzten erledigen müssen und sei unter Druck gesetzt worden, Kolleginnen zu bespitzeln. Als sie sich weigerte, sei sie beschimpft und psychisch massiv unter Druck gesetzt worden.

Gewerkschafterin Narin Erol

Die Gewerkschaft Genel-İş bestätigt, dass derartige Vorfälle kein Einzelfall seien. „Seit der Einsetzung des Zwangsverwalters beobachten wir in fast allen Abteilungen der Stadtverwaltung eine autoritäre, willkürliche und oft rechtswidrige Praxis“, sagte Narin Erol, Ko-Vorsitzende des Ortsverbands von Genel-İş in Êlih. Beschäftigte würden mit Versetzung, Kündigung oder Schikane bedroht, sobald sie sich kritisch äußerten oder sich weigerten, private Anweisungen zu befolgen.

Laut Erol sei besonders der Bereich Frauenpolitik betroffen. „Es gibt zahlreiche Berichte über Erniedrigung, Einschüchterung, das Verbot von Besuchen am Arbeitsplatz sowie die Androhung oder Einleitung disziplinarischer Verfahren gegen unliebsame Mitarbeitende“, sagte sie.

Ein weiteres Problem sei die unzureichende Grundversorgung in einigen städtischen Einrichtungen: „In Bereichen wie dem öffentlichen Grünflächenamt oder der städtischen Bäckerei fehlt es an sanitären Einrichtungen oder Trinkwasser. Mitarbeitende müssen auf Anwohner:innen angewiesen sein – und werden dafür noch disziplinarisch belangt“, so Erol weiter.

Systematisches Vorgehen gegen politisch unliebsame oder marginalisierte Beschäftigte

Die Gewerkschaft sieht hinter den Entwicklungen ein systematisches Vorgehen gegen politisch unliebsame oder marginalisierte Beschäftigte. „Vor allem Frauen und Menschen, die nicht der politischen Linie der Zwangsverwaltung entsprechen, werden gezielt ausgegrenzt und unter Druck gesetzt“, erklärte Erol. Mitarbeitende würden regelmäßig aufgefordert, zu kündigen – Widerstand werde mit Repressalien beantwortet. „Wir werden den rechtlichen Weg ausschöpfen und die Zustände in Êlih weiter öffentlich machen“, so die Gewerkschafterin.