Gedenken an Kelly Freygang in Göttingen
In Göttingen hat eine öffentliche Gedenkfeier für die im April durch einen türkischen Drohnenangriff in Südkurdistan gefallene Internationalistin Kelly Freygang, Tîjda Zagros, stattgefunden.
In Göttingen hat eine öffentliche Gedenkfeier für die im April durch einen türkischen Drohnenangriff in Südkurdistan gefallene Internationalistin Kelly Freygang, Tîjda Zagros, stattgefunden.
Kelly Freygang, Tîjda Zagros, ist am 29. April in den Bergen Kurdistans gefallen, wie die HPG kürzlich bekannt gaben. Aus diesem Anlass fand in der Göttinger Innenstadt ein öffentliches Gedenken der aus Hamburg stammenden Internationalistin statt. Diese hatte, bevor sie ihren Weg nach Kurdistan fand, auch eine Zeit in der niedersächsischen Universitätsstadt verbracht. Der Einladung der örtlichen Women Defend Rojava sowie Defend Kurdistan Komitees folgend, versammelten sich 60 Menschen.
Tîjda Zagros wurde in einer Phase, in der die kurdische Freiheitsbewegung den Weg für einen Friedensprozess geöffnet hat und ihre Selbstverteidigungskräfte eine Waffenruhe ausgerufen haben, durch einen türkischen Drohnenangriff getötet. An einem beschaulichen Gedenkort erinnerten Fotos an die Gefallene, es wurden Kerzen angezündet und Blumen niedergelegt. Die Teilnehmenden hielten eine Schweigeminute ab und sangen zwischen Redebeiträgen gemeinsam die Lieder „Wenn dieser Morgen kommt“ und „Sage nie du gehst den allerletzten weg“.
„Mit ganzer Seele, ganzem Körper und Geist“
In einem ersten bewegenden Beitrag erzählte eine Göttingerin, wie sie Kelly, die in Hamburg aufgewachsen war, vor ihrem Aufbruch nach Kurdistan auf Kongressen, Seminaren und Feiern kennenlernte. Sie beschrieb, dass Kelly durch ihre Ernsthaftigkeit, Liebe und ihren Kampfgeist „leuchtete“, immer auf der Suche gewesen und mit Leidenschaft an neue Aufgaben gegangen sei, um ihren Weg zu finden. Kelly war eine Freundin und Genossin, die mit „ganzer Seele, ganzem Körper und Geist bei der Sache war“.
An der kurdischen Freiheitsbewegung habe die gelebte Kollektivität sie begeistert, der gemeinsame Kampf für die Befreiung der Frauen, das Vorangehen Schulter an Schulter. Ihre letzten Stunden, bevor Kelly nach Kurdistan ging und dort ihren neuen Namen Tîjda Zagros annahm, habe sie mit Freund:innen in Göttingen verbracht. „Wir verbeugen uns vor ihrem Kampf, in unseren Herzen wird sie immer weiterleben“, schloss ihre damalige Weggefährtin.
Gegen jeden Krieg und Militarismus
Neben dem Kampf für die Befreiung Kurdistans und die Befreiung der Frauen habe die Gefallene auch gegen das faschistische Militär und den selbsternannten Islamischen Staat gekämpft, führte die Antifajugend Göttingen aus. Die Rolle des deutschen Staates sei dabei demnach unmissverständlich: Über Rüstungskonzerne wie Rheinmetall wird die Türkei mit Waffen unterstützt, in Deutschland selbst werden Kurd:innen kriminalisiert. Deutschland sei am Krieg gegen die Kurd:innen direkt beteiligt und für tausende Tote verantwortlich.
Die Rednerin rief abschließend dazu auf, sich hier vor Ort dem Militarismus und der Militarisierung der Gesellschaft entschlossen entgegenzustellen und solidarisch an der Seite der kurdischen Gesellschaft und ihrer Befreiungsbewegung zu stehen.
Schulter an Schulter mit den Unterdrückten
Redner des AK Asyl betonten, dass Tîjda Zagros keine gewöhnliche Genossin gewesen sei – sie habe das Leben und den Widerstand gefühlt und sei Schulter an Schulter mit den Unterdrückten vorangegangen. „Sie selbst war wie eine Flamme, die sie nun in uns entfacht hat“, beschrieben die Göttinger:innen. Tîjda habe ihnen die Grenzenlosigkeit des Kampfes für Gerechtigkeit vorgelebt und dabei verkörpert, dass Solidarität nur international sein könne.
In diesem Sinne wurde bei dem Gedenken hervorgehoben, dass Kelly Freygang sich mit vielen Gefallenen weltweit verbunden gefühlt habe: „Vom Zagrosgebirge bis in die Wüsten Belutschistans: Tîjda hat uns das Feuer gegeben, wir haben keine Angst mehr, wir sind Tausende, wir sind die Kinder des Aufstands und werden kämpfen.“
Revolutionäre Frauen als Gefahr für das System
In einem abschließenden Beitrag des Göttinger Netzwerk gegen Femizide wurde die Ermordung von Tîjda Zagros durch den türkischen Staat in eine lange Reihe politischer Femizide gestellt. Die Rednerin erinnerte neben weiteren an die Gefallenen Andrea Wolf (Ronahî), Uta Schneiderbanger (Nûdem), Sarah Handelmann (Sara), Eva Maria Steiger (Elefteria), aber auch Berta Cáceres oder Sakine Cansız (Sara). Den patriarchalen, kapitalistischen Staaten sei sehr wohl klar, dass revolutionäre Frauen eine Gefahr für sie sind, wenn sie sich wie Tîjda ganzheitlich gegen das Machtsystem stellten, betonte das Netzwerk. Bereits in Deutschland habe Kelly sich dafür eingesetzt, dass weltweite Kriege schon in Westeuropa, dem „Zentrum des Kapitalismus“, gestoppt werden müssten. Hierbei habe sie darauf bestanden, den Kampf nicht zu theoretisieren, sondern praktisch zu führen, was der Rednerin zufolge auch für den Kampf gegen Femizide gelte.
Sie teilte abschließend mit den Anwesenden, dass sie das Leben und die Träume der Gefallenen als Erbe verstehe und endete mit der Frage: „Wie weit zu gehen sind wir bereit?“