„Unsere Bäume sind unser Schutz“
In Nordkurdistan regt sich Protest gegen geplante Abholzungen in mehreren Dörfern der Provinz Şirnex (tr. Şırnak). In der gebirgigen Region um Elkê (Beytüşşebap) wollen Behörden „aus Sicherheitsgründen“ Waldflächen roden lassen – sehr zum Unmut der örtlichen Bevölkerung, die auf den Schutz durch die Bäume angewiesen ist.
In den vergangenen Tagen wurden insgesamt neun Dorfvorstehenden Schreiben der Provinzdirektion für Land- und Forstwirtschaft zugestellt. Diese sollen die geplanten Rodungsmaßnahmen bestätigen – doch mehrere Dörfer verweigerten die Unterschrift. Bewohner:innen berichten, ihnen sei trotz der Verweigerung mitgeteilt worden: „Auch wenn ihr nicht unterschreibt, werden die Bäume gefällt.“
Die Region ist bereits seit sieben Jahren von großflächigen Abholzungen betroffen, insbesondere in den Waldgebieten rund um die Berge Besta, Cûdî und Gabar. Die Behörden begründen die Maßnahmen offiziell mit Sicherheitsbedenken. So auch in dem abgelegenen Dorf Hemka (Beşağaç), das sich in einem engen Tal zwischen zwei Bergen befindet und in der Vergangenheit mehrfach von Lawinen getroffen wurde.
Kritik: Umweltzerstörung und Verlust der Lebensgrundlage
Die Bevölkerung sieht die Maßnahmen jedoch kritisch: In Hemka, einem Dorf in rund 30 Minuten Entfernung zum Bezirkszentrum, leben die Menschen hauptsächlich von Viehzucht und Imkerei. Die Bäume, so die Dorfbewohner:innen, seien jung und gesund – ihre Fällung würde nicht nur die Lebensgrundlage vieler Familien zerstören, sondern auch den natürlichen Lawinenschutz gefährden.
Ibrahim Acar
„Diese Bäume halten im Winter die Schneemassen zurück“, sagt der 60-jährige Ibrahim Acar, ein Bewohner des Dorfes. „Wenn sie gefällt werden, steigt die Gefahr von Lawinen deutlich. Außerdem verlieren unsere Tiere Nahrung und wir unseren Schatten im Sommer.“ Die Argumentation der Behörden, es handle sich um Pflege -oder Sicherheitsmaßnahmen, könne er nicht nachvollziehen: „Unsere Bäume sind jung, es gibt kaum alte Exemplare. Wir glauben, dass das Holz verkauft werden soll.“
Nihayet Acar
Auch Nihayet Acar, eine weitere Dorfbewohnerin, warnt vor den Folgen der Abholzung: „Wenn die Bäume verschwinden, trocknet der Boden aus, Tiere finden kein Futter mehr, und das Risiko für Katastrophen steigt. Das ist kein Schutz, das ist Zerstörung.“
Widerstand mit Petitionen
Die Bewohnenden von Hemka und den umliegenden Dörfern haben Petitionen an offizielle Stellen eingereicht, um die Abholzung zu stoppen. Sie fordern stattdessen Projekte, die der Region nachhaltig nützen. „Wir werden unsere Bäume nicht aufgeben“, sagt Ibrahim Acar. „Wenn sie uns die Lebensgrundlage nehmen, bleibt uns nichts anderes als der Weg in die Städte – aber dort hat auch niemand etwas für uns vorbereitet.“
Eingriffe in Lebensräume der kurdischen Bevölkerung
Die Provinz Şirnex ist seit Jahren von Militäroperationen gegen die kurdische Guerilla und damit verbundenen Maßnahmen wie Ausgangssperren und Zutrittsverboten in Regionen, die willkürlich als militärische Sperrgebiete deklariert werden. Umweltorganisationen und Menschenrechtsgruppen werfen den Behörden vor, unter dem Deckmantel der „Terrorbekämpfung“ auch systematisch in die Lebensräume der kurdischen Bevölkerung einzugreifen. Die anhaltenden Rodungen tragen nach Einschätzung von Expert:innen erheblich zur Entwaldung und zur Zerstörung sensibler Ökosysteme in der Region bei.