Frühling auf Akhtamar

Auf Akhtamar im Wan-See blühen die Mandelbäume besonders schön und stimmen farbenfroh auf den Frühling ein. Die Insel stellt eine der berühmtesten historischen Hinterlassenschaften der armenischen Bevölkerung im Ararathochland dar.

Die Insel Akhtamar im Kreis Westan (arm. Vostan, tr. Gevaş) bei Wan liegt wie ein Geschenk der Natur vor dem Panorama der Berge Artos und Sîpan. Mit 70.000 Quadratmetern ist sie die zweitgrößte der insgesamt vier Inseln im Wan-See und stellt eine der berühmtesten historischen Hinterlassenschaften der armenischen Bevölkerung im Ararathochland dar. Hier blühen die Mandelbäume besonders zauberhaft und stimmen farbenfroh auf den Frühling ein.

© Gökhan Altay | Mezopotamya (MA)

Von 908 bis 1021 war die Insel Akhtamar eine Pfalz des armenischen Großreiches Vaspurakan mit der damaligen Hauptstadt Vostan. Der Name der Insel leitet sich der Sage nach von einer armenischen Königstochter namens Tamar ab. Die Insel wird aber auch „Klosterinsel“ genannt. Berühmt ist Akhtamar aber vor allem wegen ihrer Surp Khach, der „Kirche zum Heiligen Kreuz”. Die Kirche bildet den Rest einer zwischen 915 und 921 durch den Architekten und früheren Bildhauer Manuel im Auftrag von Gagik Arzruni, König von Vaspurakan, gebauten Stadt mit Kloster- und Palastanlage. Über und über mit Reliefs verziert, ist der Bau ein Meisterwerk armenischer Steinmetzkunst. Die Außenwände zeigen überwiegend alttestamentarische Szenen und Geschichten, wie etwa die von Adam und Eva, Jona und dem Wal oder David gegen Goliath. Außerdem wurden auf den Reliefs der Kirche 30 Tierarten entdeckt, die heute teilweise ausgestorben sind oder kurz vorm Aussterben sind. So geben die Verzierungen die damalige Fauna in Anatolien wieder. Ein derart reicher Skulpturenschmuck war zur damaligen Zeit sonst unbekannt. Im Westen setzte die Entwicklung der Bauskulptur erst etwa 100 Jahre später ein. Im Inneren der Kreuzkirche sind die Wände mit zum Teil noch erhaltenen Fresken bemalt. Auf der Insel befinden sich noch die Überreste einer Siedlung und ein historischer Friedhof.

© Gökhan Altay | Mezopotamya (MA)

Bis 1895 diente die Kirche auf Akhtamar als Patriarchalkathedrale für das regional bedeutende Katholikat von Akhtamar der Armenischen Apostolischen Kirche. Nach dem Tod des letzten Katholikos Khatschatur III. (1864–1895) blieb der Sitz vakant. 1910 umfasste die Diözese von Akhtamar noch 130 Gemeinden, 203 Kirchen und 70.000 Gläubige. Beim Genozid von 1915 wurde das Kloster zerstört, die Kirche geplündert und die Mönche getötet. Im August 1916, fast anderthalb Jahre nach Beginn des Völkermords an der armenischen Bevölkerung, wurde das Katholikat von Akhtamar per Beschluss des osmanischen Justiz- und Kultusministeriums aufgehoben. Erst 2005 beschloss die türkische Regierung die Restaurierung des über tausend Jahre alten Bauwerks.

© Gökhan Altay | Mezopotamya (MA)

Im Jahr 2007 wurde die Kirche auf Akhtamar als Kulturdenkmal wiedereröffnet. Bisher hat die türkische Regierung nur acht religiöse Zeremonien erlaubt. Der erste Gottesdienst nach 95 Jahren hatte im September 2010 mit mehr als 4.000 Teilnehmenden stattgefunden. Den letzten Gottesdienst konnten christliche Gläubige vergangenen Herbst halten.