Scholz: „Die erste kurdischsprachige Universität wird Wirklichkeit“

Warum ein deutscher Akademiker die Leitung der ersten kurdischsprachigen Uni in Deutschland übernimmt, was Sprache mit Freiheit zu tun hat und welche Vision dahintersteht – darüber hat ANF mit Prof. Dr. Christoph Scholz gesprochen.

Gespräch mit Gründungsrektor Prof. Dr. Christoph Scholz

Die Gründung der Internationalen Kurdischen Hochschule Deutschland (Träger: IKUAS e.V.), die 2026 in Dresden an den Start gehen soll, ist ein Meilenstein in der Bildungs- und Kulturgeschichte des kurdischen Volkes. Im Interview spricht Gründungsrektor Prof. Dr. Christoph Scholz über seine persönliche Motivation, die kurdische Sprache als Wissenschaftssprache – und darüber, warum die neue Universität mehr ist als nur ein Ort des Lernens: ein Ort der Identität, der Hoffnung und der Teilhabe.

Was hat Sie persönlich oder akademisch motiviert, das Amt des Rektors der ersten kurdischsprachigen Universität der Welt zu übernehmen?

Mich hat sowohl die akademische Herausforderung als auch die historische Bedeutung dieser Gründung zutiefst angesprochen. Die Idee, eine Hochschule zu gestalten, die nicht nur Wissen vermittelt, sondern auch ein starkes Symbol für kulturelle Selbstbestimmung ist, hat mich sofort fasziniert. Die Internationale Kurdische Hochschule Deutschland i. Gr. ist akademisch frei, unabhängig und weltoffen. An der Hochschule werden wir in Deutsch, Kurmancî und Soranî lehren und forschen.

Persönlich motiviert mich der Gedanke, mit meiner Erfahrung als Professor und Rektor a. D. etwas aufzubauen, das Generationen von kurdischen Studierenden stärken wird. Akademisch sehe ich die Chance, mit einem exzellenten internationalen Team eine Institution zu entwickeln, die innovativ, mehrsprachig und werteorientiert arbeitet – und dabei neue Maßstäbe im globalen Hochschulwesen setzt.

Christoph Scholz © privat

Wie sehen Sie als deutscher Akademiker das Potenzial der kurdischen Sprache als Wissenschaftssprache?

Ich sehe großes Potenzial. Jede Sprache kann Wissenschaftssprache sein – wenn man in sie investiert. Deutsch war es nicht immer, ebenso wenig wie viele andere heute etablierte Wissenschaftssprachen. Kurdisch ist eine indogermanische Sprache, bringt eine reiche Literatur, differenzierte Dialekte und eine lebendige Kultur mit. Was fehlt, ist systematische Förderung, Terminologiearbeit und institutionelle Stärkung. Genau hier setzen wir an: Die Internationale Kurdische Hochschule Deutschland i. Gr. wird gezielt in die sprachliche Infrastruktur investieren – durch Übersetzungsprojekte, kurdischsprachige Fachpublikationen, die Entwicklung von Lehrmaterialien und den Aufbau eines sprachwissenschaftlichen Zentrums.

Das kurdische Volk hat lange dafür gekämpft, eigene Bildungseinrichtungen zu gründen.  Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang Ihre Rolle als Rektor mit nicht-kurdischem Hintergrund?

Ich sehe meine Rolle als Brückenbauer. Als Rektor a. D. und Bildungsmanager verstehe ich mich nicht als „Fremder“, sondern als Teil eines solidarischen Projekts – gemeinsam mit Dr. Zerdeşt Haco und Dr. Azad Ali sowie weiteren kurdischen Kolleginnen und Kollegen, Studierenden und Partnern weltweit. Mein nicht-kurdischer Hintergrund erlaubt mir vielleicht einen zusätzlichen Beitrag: Er zeigt, dass diese im Aufbau befindliche Hochschule nicht exklusiv ist, sondern inklusiv denkt. Dass es um Teilhabe, Anerkennung und Zusammenarbeit geht. Dass Freiheit nicht gegen andere steht, sondern mit anderen verwirklicht wird.

Diese Universität ist nicht nur eine Bildungseinrichtung, sondern auch ein Projekt der Identität und Freiheit. Wie beeinflusst dieses Bewusstsein Ihre akademische Verantwortung?

Dieses Bewusstsein verpflichtet mich zu mehr als akademischer Exzellenz. Es fordert auch Integrität, Sensibilität und Mut. Wir bauen hier nicht nur eine Institution – wir schaffen einen Raum, in dem Menschen ihre Sprache, Geschichte und Perspektive angstfrei leben und entfalten können. Identität und Wissenschaft schließen sich nicht aus – sie bereichern einander.  Diese Verantwortung nehme ich ernst, indem ich auf Augenhöhe führe, Vielfalt als Stärke begreife und die akademische Freiheit zur Grundlage aller Entscheidungen mache.

Was muss im ersten Jahr erreicht werden, damit Sie sagen können: „Wir haben es geschafft“? Was sind Ihre konkreten Ziele für den Anfang?

Wenn wir es schaffen, im ersten Jahr den Lehrbetrieb vorzubereiten, ein engagiertes Gründungsteam zu bilden, sichtbar zu zeigen, dass diese Universität lebt, und vor allem das finanzielle Fundament für die Hochschule und Stipendien zu sichern – dann haben wir es geschafft.

Konkret heißt das: Die Hochschule befindet sich als Institution im Akkreditierungsverfahren, die ersten Studiengänge ebenso. Erste Studierende sind an unserer Sprachschule – als Teil der zukünftigen Hochschule – eingeschrieben. Partnerschaften mit anderen Hochschulen sind vereinbart, und ganz wichtig: Es entstehen erste Inhalte in kurdischer Sprache. Und: Wir wollen ein Zeichen setzen – gegen Resignation, für Hoffnung. Das erste akademische Jahr soll zeigen: Die erste kurdischsprachige Universität wird Wirklichkeit – und sie kommt, um zu bleiben.