„Verletzung der Würde der Opfer“
Die Anwaltsvereinigung von Nord- und Ostsyrien hat die Ernennung von Ahmad Ihsan Fayyad Al-Hayes zum Divisionskommandeur der syrischen Armee scharf kritisiert. In einer öffentlich abgegebenen Presseerklärung forderten die Jurist:innen am Samstag die sofortige Rücknahme dieser Entscheidung und warnten vor schwerwiegenden Folgen für die Bemühungen um Gerechtigkeit und nationale Versöhnung in Syrien.
Al-Hayes, besser bekannt unter seinem Alias „Abu Hatem Shaqra“, ist Anführer der Dschihadistenmiliz „Ahrar al-Sharqiya“, die Kernbestandteil der von der Türkei gesteuerten Islamistenallianz „Syrische Nationalarmee“ (SNA) ist. Der aus Deir ez-Zor stammende Araber und seine Miliz werden von den Vereinten Nationen (UN) für zahlreiche Kriegsverberbrechen an der kurdischen Zivilbevölkerung in den besetzten Gebieten Nordsyriens verantwortlich gemacht und stehen auf der Sanktionsliste der USA. Vor rund einer Woche ernannte die syrische Übergangsregierung al-Hayes zum Kommandeur der 86. Division der neuen syrisch-arabischen Armee. Die Einheit soll in Teilen von Deir ez-Zor, Hesekê und Raqqa eingesetzt werden.
„Verletzung der Würde der Opfer“
Die Stellungnahme der nordostsyrischen Anwaltsvereinigung wurde am Sitz der Organisation in Hesekê von der Ko-Vorsitzenden Bashira Jamal al-Din verlesen. Zahlreiche Anwält:innen nahmen an der Aktion teil, um ihren Protest gegen die Ernennung sichtbar zu machen. In der Erklärung hieß es, die Anwaltsvereinigung lehne die Ernennung eines ausgewiesenen Kriegsverbrechers entschieden ab. „Diese Entscheidung verletzt die Würde der Opfer und ihrer Familien und stellt eine gefährliche Missachtung dokumentierter Kriegsverbrechen, darunter der Mord an der Politikerin Hevrîn Xelef, dar“, so die Erklärung.
Warnung vor Gefährdung rechtlicher Prinzipien
Die Jurist:innen äußerten sich auch grundsätzlich besorgt über die politische Signalwirkung der Ernennung: „Die Berufung einer Person, die als Kriegsverbrecher gilt, in diese Position ist ein direkter Angriff auf alle Bemühungen um Gerechtigkeit, Rechtsstaatlichkeit und nationale Aussöhnung in Syrien. Sie steht im Widerspruch zu allen humanitären und juristischen Prinzipien.“
„Wir werden nicht schweigen“
Die Anwaltsvereinigung forderte die syrische Regierung auf, diesen Schritt zu überdenken und Verantwortung gegenüber den Opfern von Gewalt und Kriegsverbrechen zu übernehmen. Mit einem Appell an die juristische Gemeinschaft und die internationale Öffentlichkeit endete die Erklärung: „Als Anwältinnen und Anwälte werden wir nicht schweigen. Wir werden weiterhin gegen Unrecht unsere Stimme erheben und jede Form der Legitimation für Täter zurückweisen.“