Erdoğan startet neue Verfassungsinitiative

Mit zehn Juristen will der türkische Staatschef Erdoğan eine neue Verfassung ausarbeiten lassen. Ziel sei es, die „Schande der Militärverfassung“ hinter sich zu lassen.

Zehn Verfassungsrechtler beauftragt

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat den Startschuss für eine neue Verfassungsreform gegeben. Bei einer Parteiveranstaltung seiner AKP in Ankara kündigte er an, zehn Verfassungsrechtler mit der Ausarbeitung eines Entwurfs für eine neue Verfassung beauftragt zu haben. Ziel sei es, die „Schande der Militärverfassung“ hinter sich zu lassen, so Erdoğan mit Blick auf die aktuell gültige Verfassung aus dem Jahr 1982, die nach dem Militärputsch von 1980 von der Junta verfasst wurde.

Erdoğan erklärte, seine Partei habe in den vergangenen 23 Jahren wiederholt den Willen gezeigt, eine neue, zivile und freiheitliche Verfassung auf den Weg zu bringen, sei jedoch stets am Widerstand der Opposition gescheitert. Diesmal wolle man gemeinsam mit anderen Parteien im Parlament nach einem Konsens suchen. „Wir hoffen, mit den anderen Fraktionen im Parlament einen gemeinsamen Boden zu finden“, sagte der Präsident.

Verknüpfung mit dem Friedensprozess

Erdoğan ordnete die Verfassungsinitiative auch in den Kontext der sicherheitspolitischen Entwicklungen ein. Nach dem Rückzug der PKK aus dem bewaffneten Kampf befinde sich die Türkei in einer neuen Phase. Es gelte, einen „verantwortungsvollen Ton“ zu wahren, so der Präsident. Auch die DEM-Partei zeige sich in diesem Punkt konstruktiv.

„Wir ignorieren jene, die wollen, dass der Terror nicht endet“, sagte Erdoğan. „Wenn wir eine Türkei ohne Terror erreichen, dann wird unser Land auch in den Bereichen Wirtschaft, Freiheit und Diplomatie neue Höhen erreichen.“

Kritik auch von Efkan Ala

Auch AKP-Vizevorsitzender Efkan Ala äußerte sich am Rande eines Pressetermins zur Initiative. Er bezeichnete die aktuelle Verfassung als Quelle politischer Krisen: „In der Türkei haben Verfassungen nicht verhindert, sondern Krisen ausgelöst – 1960, 1971, 1980, während des Postmodernen Putsches von 1997, beim E-Memorandum 2007, während der Korruptionsermittlungen 2013 und beim Putschversuch 2016.“

Eine neue Verfassung müsse laut Ala ein gesellschaftlich verbindendes Element sein, keine Ursache von Spannungen. „Alle Parteien sind sich einig, dass wir eine neue Verfassung brauchen. Dann sollten wir uns an einen Tisch setzen und klären, was darunter verstanden wird – und welche Änderungen notwendig sind.“ Selbst wenn die AKP eine absolute Mehrheit hätte, würde man eine neue Verfassung nicht im Alleingang beschließen wollen, so Ala. Ziel sei eine breit getragene Lösung mit Zustimmung großer Teile der Gesellschaft.