Die Idee akademische Bildung auf Kurdisch außerhalb Kurdistans zu etablieren, wird seit Jahren entwickelt. Nun sind die Fortschritte des Projekts so konkret, dass die Aufnahme des Lehrbetriebs der kurdischen Universität in Deutschland für das akademische Jahr 2026 geplant ist. Das Team, das an der Gründung der Universität arbeitet, beschäftigt sich intensiv mit der Budgetierung, der Erstellung des Lehrplans und der Stärkung der Bildungsinfrastruktur. Im Rahmen der Vorbereitungen wurde bereits das Kuratorium gebildet und die Verwaltungsorgane haben ihr finales Stadium erreicht.
Die Idee entspringt der Rojava-Revolution
Dr. Yûnis Behram, Präsident des Kurdisch-Deutschen-Forums e.V., betonte, dass es sich bei der Initiative nicht nur um ein Hochschulprojekt handelt, sondern um einen kulturellen und akademischen Meilenstein für die kurdische Gemeinschaft in Europa. Die Idee einer kurdischen Universität sei laut Behram durch die Rojava-Revolution auf die Tagesordnung gekommen: „Als damals kurdischsprachige Grundschulen eröffnet wurden, begannen Familien die Frage zu stellen: ‚Wie sollen unsere Kinder eine Universität besuchen?‘ Heute sind wir dabei, eine konkrete Antwort auf diese Frage zu geben.“
Sprachliche Vielfalt
Zunächst habe die Gruppe mit der Idee begonnen, ein „Kurdologisches Institut“ in Deutschland zu gründen, rekapitulierte Behram. Im Laufe des Prozesses habe sich jedoch das Ziel einer unabhängigen Universität entwickelt, was von kurdischen und deutschen Akademiker:innen, Diplomat:innen und Politiker:innen unterstützt werde. Nach dem Zeitplan des Gründungskomitees soll die Universität bis Ende 2026 ihre Vorbereitungen abschließen und die ersten Studierenden aufnehmen.
Die Unterrichtssprache wird überwiegend Kurdisch sein, wobei der Unterricht in den beiden Dialekten Kurmancî und Soranî erteilt wird. Außer einer medizinischen Fakultät plant die Universität ein breites Spektrum an Grund- und Aufbaustudiengängen, mit besonderem Schwerpunkt auf Kurdologie, Literatur, Sozialwissenschaften und Ingenieurwesen. In Studiengängen wie Sozialwissenschaften und Ingenieurwesen wird ein dreisprachiges Modell umgesetzt, das neben Kurdisch auch Deutsch und Englisch umfasst.
Internationale Anerkennung und deutsche Standards
Das Projekt wird auch neue Möglichkeiten für Studierende in Rojava (Westkurdistan) und Başûr (Südkurdistan) schaffen, die einen kurdischen Schulabschluss haben. Nach einem Online-Bewerbungs- und Prüfungsverfahren werden sie in der Lage sein, in Deutschland und international gültige Diplome zu erwerben. Der Status der Universität wird dem anderer Hochschulen in Deutschland entsprechen, und das akademische Qualitätssicherungssystem wird nach deutschen Standards betrieben.
Meilenstein für die kurdische Identität
Zu den langfristigen Zielen gehört die Entwicklung einer gemeinsamen kurdischen Wissenschaftssprache zwischen den Dialekten Kurmancî und Soranî.
„Diese Universität ist nicht nur eine Bildungseinrichtung, sondern die erste institutionelle Öffnung für die kurdische Sprache und Identität in Europa. Sie wird die kulturelle und akademische Zusammenarbeit zwischen der deutschen Gesellschaft und der kurdischen Gemeinschaft stärken und dazu beitragen, die kurdische Sprache in der Öffentlichkeit besser sichtbar zu machen.“
Eine neue Ära der kurdischen Hochschulbildung
Ziel der neuen kurdischen Universität ist es, eine Struktur zu schaffen, die vom Finanzierungsmodell bis zum akademischen Personal den deutschen Hochschulnormen entspricht, und gleichzeitig jungen Menschen in Europa und Kurdistan eine qualifizierte und mehrsprachige Ausbildung bietet. Sobald der Gründungsprozess abgeschlossen ist, wird eine neue Ära für die kurdische Hochschulbildung sowohl in Europa als auch im Nahen Osten beginnen.