Tag der Befreiung: Auch 80 Jahre später – den Nazis keinen Meter

Neonazis marschieren jährlich am 8. Mai in Demmin. Unter dem Motto „Auch 80 Jahre später: den Nazis keinen Meter“ protestieren Engagierte gegen die Vereinnahmung des Gedenktags und für Erinnerung, Solidarität sowie eine antifaschistische Gesellschaft.

Aufruf zu Protest in Demmin

Antifaschismus hat in Demmin in Mecklenburg-Vorpommern Tradition. Seit vielen Jahren versammeln sich Menschen dort am 8. Mai zu einem Fest des Antifaschismus und „feiern den Triumph des selbstbestimmten Lebens über die Diktatur“. Am Tag der Befreiung widersetzen sie sich dem alljährlich stattfindenden Aufmarsch der rechtsextremen „Die Heimat“ (früher NPD).

Auch in diesem Jahr – zum 80. Jahrestag der Befreiung – versuchen Neonazis, den Terror von damals zu instrumentalisieren und die Geschichte zu verharmlosen. Gemeinsam laden das Aktionsbündnis 8. Mai Demmin, Widersetzen und viele weitere Bündnispartner:innen daher zu einer Kundgebung und Demonstration um 17:00 am Bahnhof Demmin ein. Der Zusammenschluss erwartet nach eigenen Angaben Teilnehmende aus dem gesamten Bundesgebiet.

Instrumentalisierung der Geschichte: Demmin als „Wallfahrtsort“

Ungeachtet der tatsächlichen geschichtlichen Ereignisse instrumentalisieren Rechtsextreme den Tag der Befreiung als einen Tag der Trauer und verklären Demmin zur „Heldenstadt“. Als die Wehrmacht vor achtzig Jahren, am 30. April 1945, aus Demmin abzog, sprengten sie jegliche Zuwege zu der Kleinstadt und kesselten so die zurückbleibende Bevölkerung ein. In Panik, geschürt durch die Selbstmordpropaganda der Nazis, nahmen sich hunderte Menschen das Leben. All dies geschah vor dem 8. Mai und bevor die Rote Armee die Stadt erreichte.

Guido Fröschke, Mitinitiator des Aktionsbündnisses, sieht in dem Aufmarsch eine Verharmlosung von Nazi-Verbrechen und eine Täter-Opfer-Umkehr: „Wer den 8. Mai betrauert, trauert dem NS-Regime hinterher und verhöhnt damit alle Opfer des Nationalsozialismus – auch die Demmins.“

Widersetzen

Für viele Aktive ist ein solidarisches Gedenken, gesellschaftlicher Zusammenhalt und ein Leben ohne Faschismus das Ziel ihres Widerstands. Die jugendliche Rosa ist Pressesprecherin des Aktionsbündnisses 8. Mai und Widersetzen. Für sie steht fest: „Es ist unsere Verantwortung rechten und extrem rechten Ideologien, die am 8. Mai in Demmin – und jeden anderen Tag auf der Welt – verharmlost und normalisiert werden, den Raum zu nehmen.“ Faschismus müsse ihr zufolge auch in einem globalen Zusammenhang betrachtet werden und der 8. Mai als Tag der Befreiung stünde damit für den entschlossenen Widerstand gegen jeglichen Faschismus, sowohl historischen wie aktuellen.

Auch Fröschke betont die moralische Verpflichtung. Er ist der Meinung, dass es zum Krieg überhaupt erst gekommen sei, „weil Menschen ihre persönliche Verantwortung nicht wahrgenommen haben. Eine Wiederholung dieser Geschichte können wir nur dann verhindern, wenn wir dieser Verantwortung heutzutage gerecht werden. Dafür reicht reine Empörung in den eigenen vier Wänden nicht aus. Wir müssen uns – wie heute in Demmin – den Faschisten auf der Straße und in den Parlamenten in den in den Weg stellen.“

Programm & Ablauf

Die Menschen in Demmin wollen sich dem Aufmarsch der „Heimat“ am 8. Mai zivil ungehorsam widersetzen das Gedenken selbst in die Hand nehmen. Für sie ist klar: „80 Jahre Befreiung heißt 80 Jahre Widerstand.“

Hierzu beginnt ab 15:00 Uhr auf dem Barlachplatz in Demmin ein Fest unter dem Titel „Wir feiern das Leben – gegen das Vergessen!“. Es soll verschiedene Aktionen, Info-Stände und Live-Musik geben. Um 17 Uhr startet dann die Demonstration am Demminer Bahnhof und im Anschluss ist eine Party am Hafen geplant.

Der 8. Mai: Ein Zeichen für Freiheit und eine offene Gesellschaft

Im Aufruf heißt es dazu: „Der 8. Mai 1945 markiert das Ende des NS-Regimes, das Millionen Menschen entrechtete, verfolgte und ermordete, und den Beginn eines Lebens in Freiheit und Würde. Wer diesen Tag umdeutet, stellt sich gegen die demokratische Erinnerungskultur und gegen das Fundament unseres Zusammenlebens.

Doch auch heute bedrohen autoritäre und menschenfeindliche Ideologien unsere Freiheit: Während in Demmin die Partei „Die Heimat“ marschiert, trägt die AfD dieselben ausgrenzenden Ideen in die Parlamente. Auf kommunaler Ebene hat die AfD in Brandenburg den Schulterschluss mit der Heimat bereits vollbracht. Das Aktionsbündnis 8. Mai Demmin und seine Bündnispartner:innen stellen sich dem entgegen – auf der Straße und im Alltag. Der Protest in Demmin ist ein klares Bekenntnis zu Solidarität, Weltoffenheit und Vielfalt.“

Über das Aktionsbündnis 8. Mai Demmin

Das Aktionsbündnis 8. Mai Demmin ist eine bunte Gruppe engagierter Leute, die seit 2009 mit Konzerten, Lesungen und kreativen Aktionen gegen den Geschichtsrevisionismus von Neonazis ankämpfen. Als Teil eines bundesweiten Netzwerkes setzt sich das Aktionsbündnis nach eigenen Angaben für eine offene, solidarische und ökologische Gesellschaft ein. Unterstützt wird es vom Bündnis Widersetzen, Rostock Nazifrei und vielen anderen.

Über Widersetzen

Widersetzen ist ein bundesweites Aktionsbündnis, das Aktionen des massenhaften zivilen Ungehorsams gegen den AfD-Bundesparteitag am 11./12. Januar 2025 in Riesa durchführte. Zu Widersetzen gehören lokale Initiativen aus Riesa und Umgebung, Gewerkschaften, antirassistische und antifaschistische Initiativen und Organisationen, Klimabewegte, NGOs und viele mehr.

Titelbild: Demonstration am 8. Mai 2022 in Hamburg