Höchstes Gericht bestätigt Urteil gegen Behdînan-Aktivisten

Das Höchste Gericht der Kurdistan-Region Irak hat die umstrittene Haftstrafe gegen fünf Journalisten und Aktivisten aus der Behdînan-Region bestätigt. Damit ist die Entscheidung endgültig. Nur noch der Präsident könnte eingreifen und sie begnadigen.

Das Höchste Gericht der Kurdistan-Region Irak (KRI) hat das umstrittene Urteil gegen die Journalisten Sherwan Sherwani, Guhdar Zebari und Ayaz Karam sowie die Aktivisten Shivan Saeed Omar und Hariwan Issa bestätigt. Damit ist die Entscheidung endgültig. Nur noch der Präsident der KRI, Nêçîrvan Barzanî, könnte eingreifen und eine Sonderbegnadigung gewähren. Dies erscheint allerdings mehr als unwahrscheinlich, da die Betroffenen wegen angeblicher „Untergrabung der nationalen Sicherheit“ verurteilt wurden.

Fünf Jahre polizeiliche Überwachung nach Entlassung

Im Februar verurteilte das Zweite Strafgericht von Hewlêr (Erbil) Sherwan Sherwani, Guhdar Zebari, Ayaz Karam, Shivan Saeed Omar und Hariwan Issa zu jeweils sechs Jahren Haft. Sie wurden beschuldigt, „Spione“ zu sein und die „nationale Sicherheit zu destabilisieren“. Die Anhörung fand hinter verschlossenen Türen statt, und auch sonst widersprach der Prozess internationalen Standards. So wurden die Angeklagten nach eigenen Angaben unter Folter gezwungen, „Geständnisse“ zu unterzeichnen. Nach Ansicht von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch war die Anklage gegen die Journalisten und Aktivisten konstruiert. In der Fallakte zu Sherwan Sherwani wird der Spionagevorwurf gegen den Journalisten mit dessen Aktivismus begründet sowie mit der Tatsache, dass er Journalismustrainings im Ausland besucht hatte. In die Fallakten der anderen vier Männer erhielt der Rechtsbeistand keine Einsicht. Zusätzlich zur Gefängnisstrafe wurden alle zudem zu fünf Jahren polizeilicher Überwachung im Anschluss an ihre Entlassung verurteilt.

Passagen mit Bezug auf Kontakte zu Botschaften gestrichen

Anfang Mai wurde bekannt, dass der Kassationshof bereits im April entschieden hatte, die Haftstrafen gegen die fünf Männer aufrechtzuerhalten. Im Urteil wies das Gericht die Folter- und Misshandlungsvorwürfe der Angeklagten aus Mangel an Beweisen zurück. Gleichzeitig bestätigte es die folgenden Anklagen gegen die Gruppe: „Erhalt von Geldern des US-amerikanischen und des deutschen Konsulats“, „Senden sensibler Informationen an ausländische Institutionen“ und „Zusammenarbeit mit der kurdischen Arbeiterpartei (PKK)“. Nach Angaben des Anwalts Muhammed Abdulla aus dem Rechtsbeistand von habe das Höchste Gericht der KRI die Passagen mit Bezug auf die Kontakte zu ausländischen Diplomaten aus dem Urteil gestrichen. „Das ist eindeutig rechtswidrig. An diesem Handeln zeigt sich, dass das Recht auf einen fairen Prozess und ein ordnungsgemäßes Verfahren in der Autonomieregion vollkommen ausgehöhlt wird“, kritisiert Abdullah.

Internationale Kritik

Dass in der Urteilsbegründung auf Kontakte der Angeklagten zu ausländischen Konsulaten verwiesen wurde, schlug international hohe Wellen. Das Auswärtige Amt sprach von einer Kriminalisierung des deutschen Generalkonsulats in Hewlêr, Kanada erklärte: „Freie und unabhängige Medien sind Eckpfeiler von Demokratien. Journalisten und Meinungsvielfalt liefern den Sauerstoff, der für freie, inklusive und informierte Gesellschaften unerlässlich ist.“ Die Delegation der Europäischen Union und die diplomatischen Vertretungen der EU-Mitgliedstaaten im Irak wiesen darauf hin, „dass ein regelmäßiger Austausch mit der Zivilgesellschaft fester Bestandteil der Arbeit der diplomatischen Vertretungen weltweit ist“.

EU-Botschafter „entsetzt“ über Bestätigung

Der deutsche Diplomat Martin Huth, der EU-Botschafter für den Irak ist, zeigte sich auch jetzt wieder empört. Er sei „entsetzt“ darüber, dass das Gericht die Haftstrafe gegen die fünf Journalisten und Aktivisten „trotz schwerwiegender Verfahrensmängel und Misshandlungsvorwürfen“, die unter anderem von den Vereinten Nationen vorgebracht worden waren, bestätigte, schrieb Huth im Kurznachrichtendienst Twitter. Auch das Metro Center for Journalist Rights & Advocacy mit Sitz in Silêmanî äußerte seine „Enttäuschung“ über die Entscheidung und appellierte an Barzanî, von seinem Recht auf Erteilung von Amnestie Gebrauch zu machen und Sherwani und dessen Kollegen zu begnadigen.

Strafmaß von Premierminister vorgegeben

Das Strafmaß gegen Sherwan Sherwani, Guhdar Zebari, Ayaz Karam, Shivan Saeed Omar und Hariwan Issa war de facto von Premierminister Mesrûr Barzanî (PDK) vorgegeben worden. Dieser hatte die Beschuldigten nur wenige Tage vor der Urteilsverkündung öffentlicht als „Agenten“ verleumdet und sie der Spionage bezichtigt: „Sie haben versucht, Gebäude zu sprengen und Ausländer in der Region zu entführen oder zu töten. Diese Personen haben sich nur als Aktivisten oder Journalisten getarnt, doch hinter den Kulissen taten sie andere Dinge. Es sind bewaffnete Personen mit einer zerstörerischen Mentalität, die für andere Länder arbeiten.“ Indizien, die die erhobenen Spionagevorwürfe bewiesen hätten, gab es nicht.

Opfer des Verschwindenlassens

Nach ihrer Verurteilung waren die Journalisten und Aktivisten für eine ganze Weile im Hungerstreik, um gegen ihre Haftbedingungen zu protestieren. Amnesty International vorliegenden Informationen zufolge werden Sherwan Sherwani, Guhdar Zebari, Hariwan Issa, Ayaz Karan und Shvan Saeed zusammen mit mehr als 100 Gefangenen in überbelegten Zellen festgehalten, in denen es nicht genug Platz zum Stehen, Herumlaufen und Schlafen gibt. Alle fünf Männer waren während unterschiedlicher Zeiträume zudem Opfer des Verschwindenlassens, manche von ihnen über drei Monate lang.