Nach dem Auswärtigen Amt haben auch die Vertretungen von Frankreich und Kanada die Urteilsbegründung im Verfahren gegen fünf Journalisten und Aktivisten in Hewlêr (Erbil) als besorgniserregend kritisiert. Der Kassationsgerichtshof in Südkurdistan hatte am Donnerstag die erstinstanzliche Verurteilung der Journalisten Sherwan Sherwani, Guhdar Zebari und Ayaz Karam sowie der Aktivisten Shivan Saeed Omar und Hariwan Issa zu sechs Jahren Freiheitsstrafe bestätigt.
In der Urteilsbegründung war auf Kontakte der Angeklagten zu ausländischen Konsulaten verwiesen worden. Das Auswärtige Amt hatte daraufhin von einer Kriminalisierung des deutschen Generalkonsulats in Hewlêr gesprochen. Auch das französische Generalkonsulat in der südkurdischen Metropole nimmt das Urteil mit Sorge zur Kenntnis. „Wir erinnern daran, dass unsere Freundschaft mit dem kurdischen Volk und die Zusammenarbeit zwischen Frankreich und der Autonomen Region Kurdistan auf gemeinsamen Werten und gemeinsamen Prinzipien beruhen, unter denen die Pressefreiheit sowie die Meinungs- und Demonstrationsfreiheit einen grundlegenden Platz einnehmen. Das Konsulat bringt seine tiefe Besorgnis über jeden Versuch zum Ausdruck, Kontakte der Presse und der Zivilgesellschaft mit diplomatischen und konsularischen Vertretungen in der Region Kurdistan zu kriminalisieren“, teilte Generalkonsul Olivier Decottignies auf Twitter mit.
Ähnlich äußerte sich Kanada: „Kanada ist tief besorgt über die Verurteilung von Journalisten und Aktivisten in der Region Kurdistan. Freie und unabhängige Medien sind Eckpfeiler von Demokratien. Journalisten und Meinungsvielfalt liefern den Sauerstoff, der für freie, inklusive und informierte Gesellschaften unerlässlich ist.“
Das Auswärtige Amt hatte zudem auf gravierende Mängel in dem Prozess hingewiesen. So hätten die Angeklagten beispielsweise nicht ausreichend Kontakt zu ihren Anwälten gehabt. Besonders besorgniserregend seien die Vorwürfe „von durch Folter und Druck erpresster Geständnisse“ während der Haftzeit. „Es ist unverständlich, dass beide Instanzen diesen Vorwürfen nicht nachgegangen sind. So kurz nach dem internationalen Tag der Pressefreiheit ist die Entscheidung ein besorgniserregendes Signal über den Zustand der Presse- und Meinungsfreiheit in der Region. Wir appellieren an den Präsidenten der RKI (Region Kurdistan-Irak), von seinem Recht auf Erteilung von Amnestie Gebrauch zu machen“, hieß es in der deutschen Stellungnahme.
Die südkurdischen Behörden weisen diese Vorwürfe zurück. Der Oberste Justizrat der Region Kurdistan erklärte am Samstag, dass er in allen Phasen des Prozesses seine Entscheidungen auf die richtigen Informationen und Dokumente gestützt habe und unparteiisch vorgegangen sei. Das Politbüro der PDK wies die Kritik aus dem In- und Ausland als politische Einmischung in die Justiz zurück.
Prozess geprägt von politischer Einmischung von höchster Ebene
Die fünf Journalisten und Aktivisten aus der Behdînan-Region waren im Februar in einem von internationalen Menschenrechtsorganisationen als „zutiefst fehlerhaft“ und „unfair“ angeprangerten und von politischer Einmischung geprägten Verfahren wegen „Untergrabung der nationalen Sicherheit“ zu jeweils sechs Jahren Gefängnis verurteilt worden. Verhaftet wurden sie bereits im Spätsommer mit dutzenden weiteren Personen im Zusammenhang mit den regierungsfeindlichen Protesten gegen Misswirtschaft, Korruption und ausstehende Beamtengehälter in Südkurdistan. In einigen Fällen war der Aufenthaltsort über drei Monate lang nicht bekannt gewesen.
Strafmaß von Premierminister vorgegeben
Das Strafmaß gegen Sherwan Sherwani, Guhdar Zebari, Ayaz Karam, Shivan Saeed Omar und Hariwan Issa war de facto von Premierminister Mesrûr Barzanî (PDK) vorgegeben worden. Dieser hatte die Beschuldigten nur wenige Tage vor der Urteilsverkündung öffentlicht als „Agenten“ verleumdet und sie der Spionage bezichtigt: „Sie haben versucht, Gebäude zu sprengen und Ausländer in der Region zu entführen oder zu töten. Diese Personen haben sich nur als Aktivisten oder Journalisten getarnt, doch hinter den Kulissen taten sie andere Dinge. Es sind bewaffnete Personen mit einer zerstörerischen Mentalität, die für andere Länder arbeiten.“ Die Organisation Human Rights Watch (HRW) bezeichnete die Behauptungen Barzanîs als „unangemessene politische Einmischung in den Prozess auf höchster Ebene”, die die Unschuldsvermutung verletzen würde.