Das Auswärtige Amt hat sich besorgt über die Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils über sechs Jahre Haft gegen die Journalisten Sherwan Sherwani, Guhdar Zebari und Ayaz Karam sowie die Aktivisten Shivan Saeed Omar und Hariwan Issa durch das südkurdische Kassationsgericht in Hewlêr (Erbil) gezeigt. Die am Donnerstag bekannt gewordene Entscheidung sei bedauernswert und „nicht nachvollziehbar“, erklärte ein Sprecher.
„Das Verfahren in erster Instanz litt nach Angaben von glaubwürdigen Beobachtern unter gravierenden Mängeln, so bestand z.B. kein ausreichender Zugang der Anwälte zu ihren Mandanten“, so das Auswärtige Amt. Besonders besorgniserregend seien die Vorwürfe „von durch Folter und Druck erpresster Geständnisse“ während der Haftzeit. „Es ist unverständlich, dass beide Instanzen diesen Vorwürfen nicht nachgegangen sind. So kurz nach dem internationalen Tag der Pressefreiheit ist die Entscheidung ein besorgniserregendes Signal über den Zustand der Presse- und Meinungsfreiheit in der Region. Wir appellieren an den Präsidenten der RKI (Region Kurdistan-Irak), von seinem Recht auf Erteilung von Amnestie Gebrauch zu machen“, heißt es weiter.
Kriminalisierung von Arbeit des Generalkonsulats
„Mit großer Sorge“ sieht das deutsche Außenamt zudem die Bezugnahme auf Kontakte von einigen der Angeklagten zum Deutschen Generalkonsulat Hewlêr in der Begründung der Kassationsentscheidung. „Der informative und regelmäßige Austausch mit der Zivilgesellschaft, mit Journalisten und Aktivisten ist Teil der täglichen Arbeit von Diplomatinnen und Diplomaten weltweit und entspricht einer lebendigen Zivilgesellschaft, auf die auch die Regierung der RKI großen Wert legt.“ Durch die Bezugnahme in der Urteilsbegründung werde die Arbeit des Generalkonsulats „kriminalisiert“. Dies stehe im Widerspruch „zur engen und freundschaftlichen Beziehung“, die Deutschland mit der Region Kurdistan-Irak und dem Irak seit langem pflege und auch künftig pflegen wolle.
Prozess geprägt von politischer Einmischung von höchster Ebene
Die fünf Journalisten und Aktivisten aus der Behdînan-Region waren im Februar in einem von internationalen Menschenrechtsorganisationen als „zutiefst fehlerhaft“ und „unfair“ angeprangerten und von politischer Einmischung geprägten Verfahren wegen „Untergrabung der nationalen Sicherheit“ zu jeweils sechs Jahren Gefängnis verurteilt worden. Verhaftet wurden sie bereits im Spätsommer mit dutzenden weiteren Personen im Zusammenhang mit den regierungsfeindlichen Protesten gegen Misswirtschaft, Korruption und ausstehende Beamtengehälter in Südkurdistan. In einigen Fällen war der Aufenthaltsort über drei Monate lang nicht bekannt gewesen.
Strafmaß von Premierminister vorgegeben
Das Strafmaß gegen Sherwan Sherwani, Guhdar Zebari, Ayaz Karam, Shivan Saeed Omar und Hariwan Issa war de facto von Premierminister Mesrûr Barzanî (PDK) vorgegeben worden. Dieser hatte die Beschuldigten nur wenige Tage vor der Urteilsverkündung öffentlicht als „Agenten“ verleumdet und sie der Spionage bezichtigt: „Sie haben versucht, Gebäude zu sprengen und Ausländer in der Region zu entführen oder zu töten. Diese Personen haben sich nur als Aktivisten oder Journalisten getarnt, doch hinter den Kulissen taten sie andere Dinge. Es sind bewaffnete Personen mit einer zerstörerischen Mentalität, die für andere Länder arbeiten.“ Die Organisation Human Rights Watch (HRW) bezeichnete die Behauptungen Barzanîs als „unangemessene politische Einmischung in den Prozess auf höchster Ebene”, die die Unschuldsvermutung verletzen würde.