Özdemir: Anfrage an BAMF im Fall Mehmet Çakas

Mehmet Çakas droht aus deutscher Haft die Abschiebung in die Türkei. Nun hat Cansu Özdemir (MdB, Die Linke) das BAMF um Auskunft gebeten, ob vor einer etwaigen Abschiebung die diesbezügliche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abgewartet werde.

Wird Entscheidung des Verfassungsgerichts abgewartet?

Nach seiner Verurteilung wegen Mitgliedschaft in der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in Deutschland ist der Kurde Mehmet Çakas akut von der Abschiebung in die Türkei bedroht, wo zwei Strafverfahren gegen ihn laufen. Die notwendigen Formalitäten seitens der deutschen und türkischen Behörden sind bereits eingeleitet worden. Um sein Asylanspruch erneut prüfen zu lassen und eine Abschiebung zu verhindern, die für den kurdischen Aktivisten vermutlich verheerende Folgen haben würde, hat seine Verfahrensbevollmächtigte am 4. Juli 2025 Verfassungsbeschwerde erhoben und einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Bundesverfassungsgericht gestellt.

Die außenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Cansu Özdemir, hat sich nun in diesem Fall schriftlich an das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gewendet. In ihrem Schreiben bittet sie um Auskunft, ob dieses „eine Zusicherung erteilt hat oder plant zu erteilen, dass eine Abschiebung vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht stattfinden wird“.

Vorwurf: Prüfpflicht vernachlässigt

Dieser Frage stellt die Bundestagsabgeordnete die Umstände voraus, die es bezüglich des Falls Mehmet Çakas zu beachten gelte. Nachdem der Asylantrag des 45-Jährigen Mitte Mai abgelehnt worden war, hatte dieser gegen die Entscheidung Klage eingereicht und einen Antrag auf Eilrechtsschutz gestellt. Das Verwaltungsgericht Lüneburg lehnte diesen Eilantrag einen knappen Monat später überraschend ab – ohne sich inhaltlich mit den anwaltlich vorgetragenen Gründen gegen eine Abschiebung auseinanderzusetzen.

Mehmet Çakas ist derzeit in der JVA Uelzen in Strafhaft. Hier droht ihm nun jederzeit die Abschiebung in die Türkei, obwohl sein Wohnsitz in Italien ist, von wo er im März 2023 für das Strafverfahren nach §§129a/b StGB nach Deutschland überstellt wurde.

Özdemir bezieht sich in ihren Ausführungen unter anderem auf Aussagen des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV), nach dessen Einschätzung – trotz der Çakas in der Türkei drohenden schweren Menschenrechtsverletzungen – ein Abschiebungsverbot nach Paragraf 60 Abs. 5 AufenthG nicht ernsthaft geprüft worden sei.

Mögliche Folgen einer Abschiebung

Aufgrund seiner Verurteilung in Deutschland in Zusammenhang mit der PKK könne Çakas in der Türkei nicht mit einem rechtsstaatlichen Verfahren rechnen, urteilt Özdemir. Weiter befürchtet die Politikerin: „Dem Antragsteller drohen nach meiner Einschätzung in der Türkei Folter und eine lebenslange Haftstrafe unter erschwerten Bedingungen, was einen Verstoß gegen Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention darstellt.“

Auch der aktuelle Friedensprozess in der Türkei ändere an dieser Situation nichts, schließt sie an. „In welcher Form dieser zu einer Entlassung von politischen Gefangenen und der Einstellung von Strafverfahren führen wird, ist derzeit noch vollkommen offen. Selbst prominente politische Gefangene wie Selahattin Demirtaş und Figen Yüksekdağ sind noch inhaftiert und das Urteil gegen viele hochrangige HDP-Mitglieder im sogenannten Kobanê-Verfahren ist derzeit noch vor dem Yargıtay, dem türkischen Kassationsgericht, anhängig.“

Wer ist Mehmet Çakas?

Mehmet Çakas, ein in Çewlîg (tr. Bingöl) geborener Kurde mit türkischer Staatsangehörigkeit, ist akut von einer Abschiebung in die Türkei bedroht. Der 45-jährige Aktivist war im Dezember 2022 auf Betreiben deutscher Behörden in Italien in Auslieferungshaft genommen und im März 2023 nach Deutschland überstellt worden . Im April 2024 wurde er vom Oberlandesgericht Celle wegen Mitgliedschaft in der kürzlich aufgelösten Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) nach §§129a/b StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt.

Derzeit sitzt er in der JVA Uelzen in Niedersachsen in Strafhaft, sein regulärer Entlassungstermin ist am 4. Oktober 2025. Sein Asylantrag wurde vom BAMF abgelehnt, ebenso ein Antrag auf Eilrechtsschutz beim Verwaltungsgericht Lüneburg – ohne inhaltliche Auseinandersetzung mit den gegen eine Abschiebung sprechenden Gründen. Die Generalstaatsanwaltschaft hat am Donnerstag auf die weitere Vollstreckung seiner Haftstrafe verzichtet und damit die Einleitung der Formalitäten zur Abschiebung in die Türkei ermöglicht. Derzeit läuft ein Eilantrag an das Verfassungsgericht, um die Abschiebung zu verhindern. Eine Entscheidung wird in den kommenden Tagen erwartet.

Breite Solidarität gegen Abschiebung in die Türkei

Zahlreiche Institutionen und Persönlichkeiten wie die Hamburger Bundestagsabgeordnete Cansu Özdemir (DIE LINKE) setzen sich für Mehmet Çakas ein und warnen vor einer menschenrechtswidrigen Behandlung im Falle einer Abschiebung. In der Türkei gibt es zwei Strafverfahren gegen ihn.

Auch die Solidaritätsorganisation Rote Hilfe hat die sofortige Aussetzung der drohenden Abschiebung gefordert. Die geplante Maßnahme stelle einen „gefährlichen Präzedenzfall“ dar und gefährde grundlegende Rechte politisch aktiver Kurd:innen in Deutschland, erklärte die Organisation am Sonntag.

Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) warnt ebenfalls eindringlich vor der geplanten Abschiebung und wirft den deutschen Behörden vor, gegen das völkerrechtlich verbindliche Folterverbot zu verstoßen. „Deutschland will einen Präzedenzfall schaffen und Kurd:innen, die hier wegen politischer Straftaten verurteilt wurden, in die Türkei abschieben“, erklärte RAV-Geschäftsführer Dr. Lukas Theune. „Das verletzt nicht nur das Folterverbot, sondern auch grundlegende internationale Schutzstandards.“

Des Weiteren finden täglich Protestaktionen für den Inhaftierten in verschiedenen Städten Deutschlands statt, um die Öffentlichkeit über diesen Fall zu informieren und Solidarität mit dem Betroffenen zum Ausdruck zu bringen.

Formalitäten zur Abschiebung bereits eingeleitet

Nach Angaben von Theune werden die Abschiebungsdokumente für Çakas derzeit von der türkischen Botschaft ausgestellt – oder sie sind es bereits. „Die Reibungslosigkeit, mit der die Abschiebung vorbereitet wird, zeigt den Versuch, schnellstmöglich vollendete Tatsachen zu schaffen und einen Präzedenzfall für die Abschiebung eines wegen Mitgliedschaft in der PKK Verurteilten zu schaffen“, kritisierte der Jurist. Die Missachtung der Menschenrechte „zugunsten der Kooperation mit dem Erdoğan-Regime“ müsse ein Ende haben. „Es dürfen keine und schon gar nicht politisch aktiven Kurd:innen in die Türkei abgeschoben werden“, forderte RAV-Geschäftsführer Theune.