Hewlêr: Sechs Jahre Haft für Journalisten und Aktivisten

Weil sie die nationale Sicherheit der Autonomieregion Kurdistan-Irak untergraben haben sollen, sind fünf Journalisten und Aktivisten aus Behdînan zu langen Haftstrafen verurteilt worden. Zuvor wurden sie vom Premierminister als Agenten verleumdet.

An einem Gericht in Hewlêr sind am Dienstag fünf Oppositionelle in einem politisch motivierten und grob unfairen Prozess zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt worden. Die Journalisten Sherwan Sherwani, Guhdar Zebari und Ayaz Karam sowie die Aktivisten Shivan Saeed Omar und Hariwan Issa wurden in einer zweifelhaften und vage formulierten Anklage der „Untergrabung der nationalen Sicherheit“ beschuldigt. Dafür erhielten sie Haftstrafen in Höhe von jeweils sechs Jahren. Sherwani wird im Besonderen vorgeworfen, für den Iran gearbeitet zu haben. Als einziger Beweis wurde eine Gruppenunterhaltung im Messenger von Facebook angeführt, in der sich der Journalist und seine Mitangeklagten lediglich über Informationen ausgetauscht haben sollen. Indizien, die die erhobenen Spionagevorwürfe bewiesen hätten, gab es nicht. Die Angehörigen, Abgeordneten der Opposition und die Zivilgesellschaft zeigten sich empört über das Urteil und kündigten Proteste an.

Urteil von Barzani vorgegeben

Das vom Strafgericht der Hauptstadt der Autonomieregion Kurdistan-Irak gesprochene Urteil war im Grunde von Premierminister Masrour Barzani (PDK) vorgegeben worden. Barzani hatte die Angeklagten erst letzte Woche bei einer Pressekonferenz in Hewlêr als „Agenten“ verleumdet und sie der Spionage bezichtigt. „Sie haben versucht, Gebäude zu sprengen und Ausländer in der Region zu entführen oder zu töten. Diese Personen haben sich nur als Aktivisten oder Journalisten getarnt, doch hinter den Kulissen taten sie andere Dinge”, behauptete Barzani. Es seien „bewaffnete Personen“ mit einer „zerstörerischen Mentalität“, die für andere Länder arbeiten würden.

Weitere Journalisten und Aktivisten ohne Anklage in Haft

Die betroffenen Journalisten und Aktivisten kommen alle aus der Behdînan-Region (Dihok) und befanden sich seit Anfang Oktober in Untersuchungshaft. Die Verhaftungswelle war eine Reaktion der südkurdischen Behörden auf die teils blutig niedergeschlagenen Proteste 2020 gegen Misswirtschaft, Korruption, die hohe Arbeitslosigkeit, ausstehende Gehälter und den Schulterschluss der politischen Elite mit dem türkischen Regime in Ankara. Ihr Hauptaugenmerk richteten die Sicherheits- und Justizbehörden vor allem gegen Lehrkräfte, Medienschaffende sowie Aktivistinnen und Aktivisten der Zivilgesellschaft. Aus Behdînan befinden sich noch mindestens zwölf Personen ohne Anklage im Gefängnis, darunter der Lehrer Badal Barwari und die Journalisten Omed Baroshki (verhaftet im August) und Qahraman Shukri. Letzterer ist der Sohn des bekannten Journalisten Shukri Zaynadin, der Ende 2016 Opfer eines Mordes „unbekannter Täter“ wurde.

Metro: Extreme Intoleranz der PDK gegenüber freier Presse und sozialem Dissens

Das Metro Center mit Sitz in Silêmanî führt die Repression gegen oppositionelle Medienschaffende und die fehlende Pressefreiheit in Südkurdistan auf die extreme Intoleranz der regierenden PDK (Demokratische Partei Kurdistans) gegenüber Dissens zurück. Der Organisation zufolge, die sich für die Rechte von verfolgten und drangsalierten Medienschaffenden einsetzt, gab es im Jahr 2020 mindestens 385 Übergriffe gegen 291 Medienschaffende und Agenturen sowie Zeitungen, darunter körperliche Angriffe, Verhaftungen, Büroschließungen und offensichtlich unbegründete beziehungsweise mutwillig oder schikanöse Klagen. Nicht nur das Metro-Center sowie weitere lokale Organisationen, sondern auch Initiativen im Ausland zeigen sich alarmiert über die Lage der Pressefreiheit in Südkurdistan, darunter Reporter ohne Grenzen (RSF). Vor allem seit dem Amtsantritt von Premierminister Barzani im Juli 2019 sei die Situation für kritische Medienschaffende besonders dramatisch.