Erneut Journalist in Südkurdistan zu Haftstrafe verurteilt

Die Behörden in der Kurdistan-Region Irak nutzen weiterhin vage formulierte Gesetze, um kritische Stimmen einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen. Mit Omed Baroshki ist erneut ein Journalist zu einer Haftstrafe verurteilt worden.

Wegen Verstoß gegen das Pressegesetz in zwei Fällen ist ein Journalist in der autonomen Kurdistan-Region Irak (Südkurdistan) zu einem Jahr Gefängnis und einer Geldstrafe verurteilt worden. Ein Gericht in Dihok sprach bereits am Dienstag das Urteil gegen Omed Baroshki wegen angeblichem Missbrauch von Telekommunikationsmedien, wie es heißt. Es ging dabei offenbar um regierungskritische Beiträge bei Facebook, die im Zusammenhang mit den Protesten vom letzten Sommer gegen die politische Elite, Korruption und Misswirtschaft stehen. Baroshki wurde am 18. August 2020 in der Behdînan-Region festgenommen und anschließend verhaftet. Am 14. September kam er gegen die Hinterlegung einer Kaution auf freien Fuß, um nur fünf Stunden später erneut inhaftiert zu werden. Seitdem sitzt er im Gefängnis.

Die Geldstrafe gegen Baroshki in Höhe von umgerechnet etwa 140 Euro wurde dem Journalisten wegen „Zuwiderhandlung gegen eine ordnungsbehördliche Anordnung“ auf Grundlage von Artikel 240 des irakischen Strafgesetzbuches aufgebrummt. Unmittelbar nach dem Urteilsspruch kündigte sein Verteidiger Reving Yaseen Berufung an. Doch am 29. Juli steht Baroshki erneut vor Gericht. Insgesamt drei Verfahren wegen dem Vorwurf der „Untergrabung der nationalen Sicherheit“ wurden nach Klageeinreichung gegen den Journalisten zusammengelegt. Bei einer Verurteilung droht ihm eine langjährige Haftstrafe.

CPJ fordert Freilassung und Ende der Schikanen gegen Journalisten

Das Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) zeigte sich entsetzt über den Ausgang des Verfahrens gegen Omed Baroshki. Mit dem Urteil hätten die kurdischen Behörden im Nordirak „erneut ihre ungebremste Entschlossenheit gezeigt, den Raum, in dem lokale Journalisten und Medienunternehmen frei agieren können, zu verkleinern“, sagte der CPJ-Repräsentant für den Nahen Osten und Nordafrika, Ignacio Miguel Delgado. „Die kurdischen Behörden sollten Baroshki sofort freilassen, die Anklage gegen ihn fallen lassen und die Schikanen gegen die Medien einstellen.“

Artikel 2 des Pressegesetzes der kurdischen Autonomieregion

Artikel 2 des Pressegesetzes der Kurdistan-Region Irak (Gesetz 35 aus dem Jahr 2007) wird von den südkurdischen Behörden routinemäßig eingesetzt, um kritische Stimmen einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen. Zwar gewährleistet es Medienschaffenden das Recht, Informationen, die von Bedeutung für die Bevölkerung und von öffentlichem Interesse sind, aus diversen Quellen einzuholen. Auch sieht das Gesetz vor, dass „von einem Journalisten geäußerte Meinungen oder verbreitete Informationen nicht als Rechtfertigung dafür benutzt werden dürfen, seine Person oder seine Rechte zu verletzen“. Ebenso dürfen Medienschaffende nicht der Verleumdung bezichtigt werden, sollten sie Artikel über die Arbeit von Regierungsmitgliedern oder Beschäftigten im öffentlichen Dienst verfassen oder veröffentlichen. Dies gilt, solange der Inhalt des Veröffentlichten nicht über berufliche Angelegenheiten hinausgeht. Den Begriff der „beruflichen Angelegenheiten” definiert das Gesetz allerdings nicht.

Vage formulierte Vorschriften - weit gefasste Definitionen

Diese vage formulierten Vorschriften enthalten jedoch weit gefasste Definitionen von vermeintlichen Verbrechen, die die Meinungs- und Pressefreiheit in Südkurdistan stark einschränken. In der Regel wird den von Strafverfolgung betroffenen Journalist:innen und Medienhäusern neben Verleumdung, Beleidigung oder Diffamierung die „Verbreitung von Böswilligkeit, Hass und Zwietracht zur Förderung der Uneinigkeit unter den Teilen der Gesellschaft“ vorgeworfen. Erst letzte Woche hatte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisiert, dass die Verfolgungsbehörden in der kurdischen Autonomieregion unpräzise festgelegte Vorschriften missbrauchen, um „das Recht auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung zu beschneiden”. Die Organisation ist der Ansicht, dass der Verfolgungswahn der kurdischen Behörden eine „Atmosphäre der Angst” unter Journalist:innen und Aktivist:innen geschaffen hat, insbesondere in Dihok bzw. Behdînan.

Causa Sherwan Sherwani und Co

International für Entsetzen sorgte ein vom Strafgericht Hewlêr (Erbil) gesprochenes Urteil gegen die Journalisten Sherwan Sherwani, Guhdar Zebari und Ayaz Karam sowie die Aktivisten Shivan Saeed Omar und Hariwan Issa. Die fünf Betroffenen waren im Februar in einem von Menschenrechtsorganisationen als „zutiefst fehlerhaft“ und „unfair“ angeprangerten und von politischer Einmischung geprägten Verfahren wegen „Untergrabung der nationalen Sicherheit“ zu jeweils sechs Jahren Gefängnis verurteilt worden. Die Anhörung fand hinter verschlossenen Türen statt, die Angeklagten wurden nach eigenen Angaben unter Folter gezwungen, „vorgefertigte Geständnisse“ zu unterzeichnen. Während der Untersuchungshaft wurde ihnen das Recht auf Zugang zu ihrem Rechtsbeistand verweigert. 

Verhaftet worden war die fünfköpfige Gruppe letzten Oktober - ebenfalls wegen der regierungsfeindlichen Protestwelle in Südkurdistan. In einigen Fällen war der Aufenthaltsort über drei Monate lang nicht bekannt gewesen. Sherwan Sherwani ist der bekannteste unter ihnen, vor allem wegen seinen investigativen Recherchen zu Korruption, dem gefährlichsten Feld für Journalist:innen. Wenige Tage vor der Urteilsverkündung hatte Premierminister Mesrûr Barzanî (PDK) die fünf Angeklagten öffentlicht als „Agenten“ verleumdet und sie der Spionage bezichtigt: „Sie haben versucht, Gebäude zu sprengen und Ausländer in der Region zu entführen oder zu töten. Diese Personen haben sich nur als Aktivisten oder Journalisten getarnt, doch hinter den Kulissen taten sie andere Dinge. Es sind bewaffnete Personen mit einer zerstörerischen Mentalität, die für andere Länder arbeiten.“ Das Strafmaß gegen sie wurde damit faktisch von Barzanî vorgegeben - in typisch Erdoganscher Manier. Im Mai wurde das Urteil vom Kassationshof bestätigt.