Istanbul: Sorge um inhaftierte Journalistin Perihan Sevda Erkılınç

Die gesundheitlich schwer angeschlagene Journalistin Perihan Sevda Erkılınç wird in einem Istanbuler Gefängnis unzureichend versorgt. Menschenrechtler:innen fordern ihre sofortige Freilassung und kritisieren die Kriminalisierung kritischer Presse.

Festnahme kurz vor 1. Mai; kein Tatvorwurf, keine Anklage

Die gesundheitliche Situation der inhaftierten Journalistin Perihan Sevda Erkılınç sorgt für zunehmende Besorgnis bei Menschenrechtsorganisationen. Die an Zöliakie und Asthma leidende Reporterin der regierungskritischen Zeitung „Özgür Gelecek“ befinde sich in einem schlechten Zustand, erhalte nicht die notwendige medizinische Versorgung und sei unzureichend ernährt. Dies erklärte Eren Keskin, Ko-Vorsitzende des Menschenrechtsvereins IHD, nach einem Besuch in der Frauenvollzugsanstalt Bakırköy in Istanbul.

Erkılınç war am 29. April, wenige Tage vor dem internationalen Tag der Arbeit am 1. Mai, bei einer Hausdurchsuchung festgenommen und nach drei Tagen in Gewahrsam auf dem berüchtigten Istanbuler Polizeipräsidium Vatan verhaftet worden. Eine Anklageschrift liegt laut Keskin bis heute nicht vor.

Keine ärztliche Betreuung, keine geeignete Ernährung

„Sevda ist ernsthaft krank und das Gefängnis ist kein Ort, an dem eine Zöliakie-Patientin angemessen versorgt werden kann“, sagte Keskin im Gespräch mit ANF. Die Journalistin könne aufgrund des glutenhaltigen Essens in der Haft kaum etwas zu sich nehmen. „Sie berichtete mir, dass sie manchmal tagelang nur Käse essen kann. Gelegentlich wird ihr glutenfreies Brot gegeben, aber längst nicht regelmäßig“, so Keskin. Auch der Zugang zur Gefängnis-Krankenstation und damit medizinischen Betreuung werde ihr verweigert.

Zöliakie ist eine Autoimmunerkrankung, die bei Betroffenen zu schwerwiegenden Entzündungen des Dünndarms führt, wenn sie Gluten zu sich nehmen. Ohne passende Ernährung kann dies zu gefährlichen Mangelerscheinungen und langfristigen Organschäden führen.

Festnahme unter fragwürdigen Umständen

Nach Angaben von Keskin wurde Erkılınç bei ihrer Festnahme durch die Polizei zunächst daran gehindert, ihr Asthma-Spray mitzunehmen – erst nach längerem Drängen sei ihr das erlaubt worden. Selbst der Gang zur Toilette sei ihr zunächst nur unter Aufsicht gestattet worden. Während der Einlieferung ins Gefängnis sei sie zudem einer Zwangsmaßnahme in Form einer angedrohten Nacktkontrolle ausgesetzt gewesen, die sie ablehnte. Sie habe sich erst nach Protesten durchsetzen können, ohne diese Prozedur inhaftiert zu werden.

Kein Tatvorwurf, keine Anklage, aber massive Haftfolgen

Erkılınç wurde im Zusammenhang mit Demonstrationen rund um den 1. Mai verhaftet, bislang ist laut Keskin jedoch weder ein konkreter Tatvorwurf formuliert worden noch eine Anklage erhoben. „Es gibt keinen rechtlichen Grund, warum Sevda überhaupt noch inhaftiert ist. Sie ist Journalistin und ihr einziges ‚Vergehen‘ ist ihre Berichterstattung.“

Keskin kritisierte die zunehmende Kriminalisierung von Medienschaffenden in der Türkei: „Journalistinnen und Journalisten werden wegen ihrer Arbeit eingesperrt – und müssen in Haft auch noch ihre Gesundheit aufs Spiel setzen. Das ist ein klarer Verstoß gegen internationales Recht.“

Forderung nach Freilassung

Die Menschenrechtlerin forderte die sofortige Freilassung von Erkılınç: „Jeder weitere Tag in Haft bedeutet für sie eine akute Gesundheitsgefährdung. Die Missachtung ihrer medizinischen Bedürfnisse ist ein eklatanter Menschenrechtsverstoß. Sie muss umgehend entlassen werden.“