Frauenprotest gegen Feminizide in Mêrdîn

In Mêrdîn haben Frauenorganisationen mit einer Demonstration gegen Feminizide, Drogenmissbrauch und staatliche Untätigkeit protestiert.

„Jede Tat ist politisch“

In der nordkurdischen Stadt Mêrdîn (tr. Mardin) haben Frauenorganisationen am Sonnabend mit einer Demonstration auf die Zunahme von Feminiziden, Suiziden unter Frauen und Drogensucht aufmerksam gemacht. Aufgerufen hatten die Plattform Şahmaran und die Bewegung freier Frauen (TJA).

Unter dem Motto „Wir verteidigen das Leben und den Frieden gegen den Feminizid“ zogen zahlreiche Frauen durch die historische Altstadt von Ertuqî (Artuklu). Dabei wurden immer wieder Parolen wie „Jin, Jiyan, Azadî“ (Frau, Leben, Freiheit), „Kuştina jinan polîtîk e“ (Frauenmorde sind politisch) und „Wir schweigen nicht, wir haben keine Angst, wir gehorchen nicht“ gerufen.

„Jeder Mord ist Ausdruck staatlicher Gewalt und Straflosigkeit“

Im Anschluss verlasen Gülizar Ipek Bilek von Şahmaran und Hatice Öncü von der TJA die gemeinsame Erklärung in Türkisch und Kurdisch. Darin hieß es: „Die Philosophie von ‚Jin, Jiyan, Azadî‘ ist ein Lebensentwurf – doch sie wird systematisch angegriffen, negiert und ausgelöscht. Jeder Mord an einer Frau ist Ausdruck eines patriarchalen Systems, das von staatlicher Politik und struktureller Straflosigkeit gestützt wird.“

Die Veranstalterinnen verwiesen auf eine Zunahme verdächtiger Todesfälle in der Region: Morde, vermeintliche Suizide, Drogenabhängigkeit – viele dieser Fälle träfen gezielt Frauen und junge Mädchen. „Diese Tode sind kein Zufall, sie sind Teil einer systematischen Gewaltstruktur. Frauen werden durch wirtschaftliche Not, familiären Druck und soziale Isolation in den Suizid getrieben.“

Auch die wachsende Drogenproblematik wurde thematisiert. Der Staat vernachlässige Prävention und greife kaum ein – was laut den Aktivistinnen den Eindruck erwecke, dass Abhängigkeit gezielt zur Schwächung der Gesellschaft eingesetzt werde.

Forderungen nach Aufklärung und Schutzmaßnahmen

In der Erklärung wurden konkrete Forderungen formuliert: Unabhängige Aufklärung aller Frauenmorde und verdächtigen Todesfälle, effektive Schutzmechanismen für bedrohte Frauen, Ende der Repression gegen Frauenorganisationen und stattdessen aktive Förderung, konsequente Bestrafung von Tätern statt Straflosigkeit, Prävention und Unterstützung für suchtgefährdete Frauen sowie frauenorientierte Strategien im Kampf gegen Drogenhandel und Abhängigkeit.

„Wir werden den Frieden neu aufbauen – mit der Stimme der Frauen“

Zum Abschluss betonten die Organisatorinnen die zentrale Rolle der Frauenbewegung im Einsatz für soziale Gerechtigkeit und Frieden. „Wir sind hier, weil wir leben wollen – frei und selbstbestimmt. Kein Mord, der als Suizid getarnt wird, wird uns zum Schweigen bringen. Frauen sind Leben, Frauen sind Widerstand – und Frauen sind Frieden.“

Mit Blick auf die anhaltenden politischen Krisen in der Türkei und der Region erklärten sie: „Ein Frieden, der auf Kosten von Frauenrechten geschlossen wird, ist kein Frieden. Ein gerechtes Leben beginnt mit einer gerechten Gesellschaft – und die beginnt mit der Stimme der Frauen.“