Betroffene klagen über systematische Versorgungsblockade
Ein Jahr nach dem verheerenden Buschfeuer in den Landkreisen Xana Axpar (tr. Çınar) und Şemrex (Mazıdağı), bei dem 15 Menschen – darunter Frauen und Kinder – ums Leben kamen, 78 weitere verletzt wurden und hunderttausende Lebewesen auf einer über 5000 Hektar großen Fläche verbrannten, sehen sich die Bewohner:innen des Dorfes Tobînî (Köksalan), in dem der Brand ausgebrochen war, weiterhin im Stich gelassen. Die Strom- und Wasserversorgung ist nach wie vor eingeschränkt – betroffen sind vor allem Landwirt:innen. Die zuständige Stromgesellschaft DEDAŞ steht massiv in der Kritik.
Die Ursache des Großbrandes, der insgesamt zehn Dörfer betraf, war laut unabhängigen Fachleuten ein Kurzschluss in einer veralteten Stromleitung, die seit fast vier Jahrzehnten nicht gewartet wurde. Ein von DEDAŞ beauftragtes Gutachten hingegen verweist auf „atmosphärische Ereignisse“ – Betroffene werfen dem Unternehmen vor, sich von der Verantwortung freizusprechen. Die Menschen vor Ort sind empört über die ihrer Ansicht nach ausbleibende Aufarbeitung und die daraus folgenden Repressalien.
Keine neuen Strommasten
In Gesprächen mit ANF schilderten Betroffene das Ausmaß ihrer anhaltenden Notlage. Memduh Eren, Landwirt und Anwohner aus Tobînî, berichtete: „Ein ganzes Jahr ist vergangen, aber die Felder sind immer noch ohne Strom. Jedes Jahr haben wir hier über zehn Hektar Mais angebaut – dieses Jahr dürfen wir das nicht. DEDAŞ sagte uns offen: ‚Wenn ihr sät, bekommt ihr keinen Strom.‘ Und genau so ist es gekommen.“
Zudem seien zahlreiche Brunnen außer Betrieb, weil DEDAŞ ausstehende Zahlungen als Vorwand für die Sperrung der Wasserzufuhr genommen habe. „Millionenstrafen wurden uns auferlegt, völlig grundlos“, so Eren weiter. Der Betrieb mit Tankwagen sei keine dauerhafte Lösung: „Das ist teuer, ineffizient und für großflächige Landwirtschaft schlicht ungeeignet.“
„Erst der Brand, dann die Sanktionen“
Osman Esen, ein weiterer Dorfbewohner, verlor nach eigenen Angaben rund 100 Schafe in dem Feuer. Die Ursache sieht auch er in mangelhaften Stromleitungen: „Die Drähte der alten Masten schlugen bei Wind aneinander, so begann der Brand. Innerhalb kürzester Zeit war alles zerstört – unsere Felder, unsere Tiere, unser Leben.“
Nach der Katastrophe habe die Gemeinschaft solidarisch reagiert, erzählt Esen: „Andere Dörfer haben uns Tiere und Lebensmittel gespendet. Nur DEDAŞ hat weggesehen.“ Besonders bitter: Noch bevor die Asche verflogen war, seien erste Bußgeldbescheide bei den Betroffenen eingegangen.
Leben ohne Wasser, ohne Strom, ohne Perspektive
Seit der Katastrophe habe sich die Lebensqualität im Dorf dramatisch verschlechtert, sagen die Bewohner:innen. Es fehle an jeder Grundlage für ein selbstbestimmtes Leben: „Wir können nicht pflanzen, wir können keine Tiere halten. Wie sollen wir leben, wenn wir nicht produzieren dürfen?“, fragt Eren.
Die Bewohner:innen fordern nun eine politische Lösung. Die Elektrizitäts- und Wasserversorgung müsse wiederhergestellt, die wirtschaftlichen Schäden kompensiert und die Strafmaßnahmen überprüft werden. „Strom ist ein Grundrecht – vor allem in einem Dorf, das bereits Tote zu beklagen hat“, so ein gemeinsamer Appell der Gemeinde an die Behörden.