Sakê: Ein Dorf als Ort kollektiver Erinnerung

Offiziell „Taşkıran“ genannt, existiert das Dorf Sakê in Şirnex als Symbol historischer Identität weiter. Trotz Räumung und Zwangsvertreibung in den 1990er Jahren halten die Menschen an Geschichte, Sprache und kulturellem Erbe fest.

Symbol für kulturelle Kontinuität

Das Dorf Sakê in der nordkurdischen Provinz Şirnex (tr. Şırnak) ist für seine Bewohner:innen mehr als nur ein geografischer Ort. Für viele gilt es als historisches Symbol, Ort kultureller Kontinuität und Ausdruck kollektiver Erinnerung. Von den türkischen Behörden als „Taşkıran“ geführt, wird es von der lokalen Bevölkerung weiterhin bei seinem alten Namen genannt – Sakê.

Das Dorf liegt im Kreis Elkê (Beytüşşebap) und soll einer weit verbreiteten Überlieferung zufolge seinen Namen von einem Herrscher namens „König Sakon“ erhalten haben. Dieser habe der Legende nach in der Antike zwischen den Regionen Berwarî und Goyan ein strategisches Zentrum gegründet. Sakê sei nicht nur ein militärischer Stützpunkt, sondern auch kulturelles Zentrum gewesen.

Namensänderung nach Gründung der Republik

Mit der Gründung der Türkischen Republik und den einsetzenden Maßnahmen zur Vereinheitlichung von Ortsnamen wurde der Name des Dorfes 1926 offiziell in Taşkıran geändert – eine Bezeichnung, die sich auf die markanten Felsformationen rund um die Ortschaft bezieht. Die Umbenennung ist Teil einer staatlichen Politik, in deren Rahmen viele nicht-türkische Ortsnamen durch türkische ersetzt wurden.

Trotz dieser offiziellen Bezeichnung bleibt der ursprüngliche Name in der lokalen Alltagssprache und im kollektiven Gedächtnis lebendig. „Jeder Stein hat hier seine Geschichte“, sagt ein älterer Dorfbewohner. „Für uns ist es Sakê – das war es immer und wird es bleiben.“

Vertreibung in den 1990er Jahren und Rückkehr

Wie viele Dörfer in Kurdistan war auch Sakê in den 1990er Jahren von der systematischen Vertreibungspolitik im Zuge des schmutzigen Krieges des türkischen Staates gegen die PKK betroffen. Viele Häuser wurden zerstört, die Bevölkerung wurde zur Flucht gezwungen. In den Jahren danach kehrten einige Familien zurück und begannen, ihre Häuser eigenhändig wieder aufzubauen.

Heute leben wieder mehrere Dutzend Familien im Dorf – trotz anhaltender wirtschaftlicher und infrastruktureller Herausforderungen. Traditionen wie der Dengbêj-Gesang – die orale Literatur historischer Ereignisse, Mythen und auch gesellschaftlicher Phänomene in einem spezifischen Sprechgesangsstil – sowie kurdische Klam-Gesänge und die Weitergabe der lokalen Geschichte gehören weiterhin zum Alltag.

Symbol für kulturelle Kontinuität

Für viele Bewohner:innen steht Sakê symbolisch für kulturelle Verwurzelung und Selbstbehauptung. „Dieser Ort ist nicht nur ein Dorf, sondern unsere Geschichte“, sagt eine Dorfbewohnerin. „Mit dem Namen Sakon, den Steinen von Sakê und der Sprache dieser Berge – das ist unsere Identität. Egal, was der Staat sagt: Wir werden den Namen dieses Ortes nicht vergessen.“

Fotos und Story © Zeynep Durgut / MA