Dersim: Protest gegen geplantes Bimsstein-Bergwerk

In Dersim wurde gegen ein geplantes Bimsstein-Bergwerk protestiert. Der umstrittene Tagebau soll auf 2200 Hektar Fläche entstehen. Die Bevölkerung warnt vor der Zerstörung von Wasserquellen, Tierweiden und heiligen Stätten der Alevit:innen.

Sorge um Natur, Kultur und heilige Stätten

In der kurdisch-alevitischen Provinz Dersim (tr. Tunceli) haben am Montag mehrere hundert Menschen gegen den geplanten Abbau von Bimsstein in der Region protestiert. Unter dem Motto „Wir verteidigen unsere Lebensräume“ organisierte die Umweltplattform Hozat-Pertek-Sekasur einen Demonstrationszug im Zentrum des Landkreises Xozat (Hozat). Teilgenommen haben auch Vertreter:innen politischer Parteien, weiterer Klimagruppen sowie Bewohner:innen betroffener Dörfer.

Drohende ökologische und kulturelle Zerstörung

Der geplante Tagebau soll sich über ein Gebiet von rund 2200 Hektar erstrecken und betrifft mehrere Dörfer in den Landkreisen Xozat und Pêrtag (Pertek), darunter Bargini, Zewe, Orcan und Desiman.

Die Demonstrierenden zogen mit Transparenten wie „Vereint gegen die Plünderung durch Bergbauunternehmen“ und „Hände weg von meinem Wasser, Boden, Leben“ durch das Stadtzentrum. Immer wieder wurden Parolen wie „Xozat, wach auf – verteidige deinen Boden“ und „Sekasur ist heilig – und wird es bleiben“ skandiert.

Die zentrale Erklärung wurde von Mustafa Rüzgar, dem Dorfvorsteher von Bargini, im Namen des Bündnisses verlesen. Er kritisierte das Projekt als Bedrohung nicht nur für Landwirtschaft und Viehzucht, sondern auch für die kulturelle Identität der Region: „Hier leben 35.000 Schafe, 500 Rinder und unzählige Bienenstöcke. Gleichzeitig befinden sich in der Region zahlreiche heilige Stätten der alevitischen Glaubenstradition sowie historische Felsengräber, die als geschütztes Kulturgut eingestuft wurden.“

Heilige Stätten in Gefahr – Vorwürfe der Intransparenz

Rüzgar betonte, dass in der alevitischen Glaubenspraxis die Natur als heilig gilt: „Berge, Bäume, Wasserquellen sind nicht nur Ressourcen – sie sind Ziyaret, also Teil unserer spirituellen Praxis. Was hier zerstört wird, ist unsere Lebensweise, unsere Erinnerung, unsere Geschichte.“

Kritik äußerte Rüzgar auch an der mangelnden Information der Bevölkerung. Obwohl die Abbaulizenz bereits 2024 erteilt wurde, sei die Öffentlichkeit erst in diesem Jahr über das Vorhaben informiert worden: „Die Firma hat die Menschen bewusst nicht einbezogen. Das Projekt betrifft die heiligen Orte Sultan Hıdır, Ağuçan Ocağı und Derviş Cemal. Jeder industrielle Eingriff dort ist ein direkter Angriff auf unsere Glaubensräume.“

Das betroffene Gebiet versorge zudem vier Dörfer mit Trinkwasser. Die Zerstörung der Quellen durch den Tagebau könne laut Rüzgar langfristig das gesamte Ökosystem austrocknen.

Juristische Schritte eingeleitet

Der Rechtsanwalt Kenan Çetin wies darauf hin, dass sich das geplante Bergbaugebiet in einer archäologisch und kulturell besonders sensiblen Zone befinde: „Sekasur war 1938 Schauplatz von Massakern. Heute gilt es als archäologisches Schutzgebiet. Wir haben Klage beim Verwaltungsgericht Erzincan eingereicht. Die zuständigen Behörden wurden zur Stellungnahme aufgefordert – in Kürze wird ein Eilantrag auf Baustopp gestellt.“ Çetin forderte die Bergbaufirma auf, das Projekt freiwillig auszusetzen, bis ein rechtskräftiges Urteil vorliegt.

 „Jede Intervention ist ein Angriff auf unsere kollektive Erinnerung“

Die DEM-Abgeordnete Ayten Kordu war ebenfalls vor Ort. Sie erklärte, dass der Widerstand gegen Projekte wie das geplante Bimsstein-Bergwerk ein kulturelles wie politisches Anliegen sei: „Unsere Berge, unser Wasser, unsere Erde sind nicht neutral. Sie sind Träger unserer Erinnerung, unseres Glaubens, unserer Toten. Jeder Eingriff ist eine Attacke auf unsere kulturelle Identität.“ Kordu rief zu verstärktem juristischen und zivilgesellschaftlichen Widerstand auf, sowohl auf lokaler Ebene als auch überregional.

Forderung nach sofortigem Baustopp

Vertreter:innen mehrerer politischer Parteien sowie Umwelt- und Kulturorganisationen sprachen sich während der Demonstration für einen sofortigen Stopp aller bergbaulichen Aktivitäten in der Region aus. Sie forderten Transparenz von Behörden und Unternehmen sowie ein gesetzlich verankertes Schutzkonzept für heilige Naturorte und Wasserquellen. Das Bündnis Hozat-Pertek-Sekasur kündigte derweil an, den Widerstand in Dersim in Form von juristischen, politischen und zivilgesellschaftlichen Aktionen fortzusetzen.