Brandkatastrophe: „Weil wir Kurden sind...“

Frauen in den von einem Großbrand betroffenen Dörfern in Nordkurdistan beschuldigen den türkischen Staat wegen unterlassener Hilfeleistung und klagen an: „Weder das Leben unserer Kinder noch das unserer Tiere hat einen Wert.“

Überlebende klagen den Staat an

Vor einer Woche sind bei einem Flächenbrand in den Provinzen Mêrdîn (tr. Mardin) und Amed (Diyarbakir) 15 Menschen ums Leben gekommen. Das Feuer wurde durch einen Kurzschluss an einem Strommast ausgelöst. Die Menschen aus der Region sagen, dass die Leitungen jahrelang nicht gewartet wurden und es ständig Stromausfälle gibt. Das zuständige Stromversorgungsunternehmen DEDAŞ ist im Besitz von AKP-Anhängern. Die von dem Brand betroffenen Landkreise Şemrex (Mazıdağı) und Xana Axpar (Çınar) werden von der DEM-Partei regiert. Das Feuer brach am Abend aus, Hubschrauber kamen erst am Morgen, als der Brand bereits unter Kontrolle war. Die Feuerwehren der Gemeinden konnten im bergigen Gebiet nicht intervenieren, der Einsatz von Löschhubschrauber ist eine staatliche Entscheidung. Während auch in anderen kurdischen Regionen weiterhin ungehemmt Brände lodern, bombardiert die türkische Luftwaffe Wälder und die Umgebung von Dörfern. Mehrere Brandgebiete in Nordkurdistan wurden zu militärischem Sperrgebiet erklärt.


„Wenn wir keine Kurden wären“

Die Menschen in Şemrex und Xana Axpar fühlen sich allein gelassen. Ferhan Erdem aus dem Dorf Herberê (Yazçiçeği) hat durch den Brand Angehörige verloren und erklärte gegenüber ANF: „Ohne den Wind wäre das Feuer vielleicht nicht so groß geworden, aber es ist ein regelrechter Sturm ausgebrochen. In den Dörfern hier gibt es seit Jahren Probleme mit der Stromversorgung. Es gibt ständig Stromausfälle. Weil der Strom so oft ausfällt, gehen unsere elektrischen Haushaltsgeräte kaputt. Am Tag des Brandes gab es morgens einen Ausfall, der bis zum Abend andauerte. Dann gab es plötzlich wieder Elektrizität in den Leitungen und im selben Moment ist das Feuer im Nachbardorf ausgebrochen. Aus einem Strommast schlugen Funken, die den Brand auslösten. Innerhalb von zehn Minuten hat das Feuer unser Dorf erreicht. Menschen, die das Feuer löschen wollten, sind ums Leben gekommen. DEDAŞ hat alles zerstört und unser Zuhause verbrannt. Wer wird jetzt dafür zur Verantwortung gezogen? Niemand bekennt sich zu seiner Schuld, stattdessen werden wir selbst beschuldigt.

Es wäre nicht so weit gekommen, wenn wir keine Kurden wären. Wir werden dem Tod überlassen. Weder das Leben unserer Kinder noch das unserer Tiere hat einen Wert. Die Natur hat keinen Wert. Menschen sind gestorben, Dutzende unserer Tiere sind tot. Unsere ganze Arbeit in diesem Jahr wurde zunichte gemacht. Es ist eine Katastrophe, und wir fragen uns, was uns noch Schlimmeres angetan werden kann. Vor unseren Augen sind Menschen verbrannt. Unsere Dörfer haben gebrannt. In unserem Haus sind Flammen eingeschlagen. Wenn der Staat einen Hubschrauber geschickt hätte, hätte das Feuer nicht bis zum Morgen gewütet. Es wären nicht so viele Menschen gestorben, wenn Hubschrauber gekommen wären. Aber es kam kein Hubschrauber, und die Feuerwehr kam erst spät und konnte in dem bergigen Gelände ohnehin nichts ausrichten. Wer wird uns jetzt die Menschen wiedergeben, die von uns gegangen sind?“

Feuerwehr vom Militär aufgehalten

Emine Esen aus Kelekê (Yücebağ) sagte, die Feuerwehr sei sofort verständigt worden und die Kreisverwaltung von Şemrex (Mazıdağı) habe Löschfahrzeuge geschickt. Das Militär habe nicht zugelassen, dass die Feuerwehr ins Dorf kommt. „Wir haben stundenlang gewartet. Während zehn Menschen ums Leben kamen, wurde die Feuerwehr weiter oben aufgehalten. Wir haben versucht, das Feuer zu löschen und die Verletzten zu retten. Vier Menschen sind bei dem Versuch gestorben, die Verwundeten zu bergen. Wir haben Menschen verloren, unsere Tiere sind tot und unsere Ernte vernichtet. Unser Leben wurde in einer einzigen Nacht zerstört. Wir haben schon so vieles erlebt, ich weiß es nicht. Es scheint das Schicksal der Kurdinnen und Kurden zu sein, dass uns ständig Katastrophen treffen. Selbst bei diesem Feuer hat sich niemand um uns gekümmert, weil wir Kurden sind. Im Krankenhaus sind immer noch Verletzte, einige haben sehr schwere Verbrennungen. Kleine Kinder haben ihre Eltern verloren, junge Menschen sind von uns gegangen. Wer wird dafür zur Rechenschaft gezogen?“