GÖÇ-DER fordert Rückkehrrecht in ehemalige Dörfer

Zum Auftakt der Aktionswoche für die Opfer von Flucht und Vertreibung ruft die Migrations-NGO GÖÇ-DER zur Aufhebung aller Hindernisse bei der Rückkehr in ehemals geräumte Dörfer auf.

Erinnerung an Zwangsräumungen der 1990er Jahre

Mit einem öffentlichen Aufruf und Informationsflyern hat der in Amed (tr. Diyarbakır) ansässige Forschungsverein für Migration (GÖÇ-DER) auf das Recht der Rückkehr in zerstörte und geräumte Dörfer hingewiesen. Die Aktion fand am Samstag im Rahmen der Aktionswoche für die Opfer von Flucht und Vertreibung (14.–20. Juni) statt.

Von der Einkaufsmeile Ofis bis zum zentralen Şêx-Seîd-Platz verteilten GÖÇ-DER-Aktive gemeinsam mit Vertreter:innen der Partei der demokratischen Regionen (DBP) Flugblätter mit dem Titel „Die Rückkehr ins Dorf ist ein Recht – alle Hindernisse müssen beseitigt werden“.

„Rückkehr zu Wasser, Boden und Leben“

Der Aktivist Hasan Erzin, der zum Vorstand des Vereins gehört, rief die betroffenen Menschen zur Rückkehr in ihre Herkunftsorte auf: „Unsere Botschaft ist klar: Kehrt zurück zu eurem Wasser, zu eurem Boden, zu euren Dörfern. Baut euer Leben wieder dort auf, wo es einst gewaltsam unterbrochen wurde.“ Erzin lud zugleich zu einer für Sonntag geplanten Diskussionsveranstaltung im Kongresszentrum Çand Amed ein, bei der Erfahrungen, Hindernisse und Perspektiven zur Rückkehr diskutiert werden sollen.

Vertreibungspolitik der 1990er Jahre

Hintergrund der Initiative ist die bis heute andauernde Aufarbeitung der systematischen Vertreibungs- und Zerstörungspolitik, die der türkische Staat vor allem in den 1990er Jahren in den kurdischen Provinzen durchführte.

Im Rahmen der sogenannten „Politik der verbrannten Erde“ wurden mehr als 3.000 Dörfer ganz oder teilweise niedergebrannt oder zwangsgeräumt. Hunderttausende kurdische Zivilist:innen wurden aus ihren Siedlungen vertrieben – meist mit dem Vorwurf, sie würden die PKK unterstützen oder dulden.

Militärische Operationen, massive Repression, Luftangriffe, Ausgangssperren und Zwangsumsiedlungen prägten den Alltag vieler Regionen in Nordkurdistan. Ganze ländliche Räume wurden entvölkert, viele der ehemaligen Bewohner:innen landeten mittellos in türkischen Großstädten.

Rückkehr bis heute erschwert

Obwohl es offiziell keine Rückkehrverbote mehr gibt, berichten Menschenrechtsorganisationen bis heute von strukturellen Hürden: etwa verweigerte Infrastrukturmaßnahmen, militärische Sperrzonen, bürokratische Hürden bei Landtiteln und eine fehlende juristische Aufarbeitung der Zerstörungen.

GÖÇ-DER betont, dass eine tatsächliche Rückkehr nicht nur ein individuelles Recht sei, sondern auch eine gesellschaftspolitische Aufgabe: „Die Heilung dieser Wunden ist ohne eine Anerkennung des Unrechts und konkrete Maßnahmen zur Wiedergutmachung nicht möglich“, so die Organisation.

Die Forderung nach einem umfassenden Rückkehrrecht bleibt damit auch ein Appell an den türkischen Staat, sich mit einem dunklen Kapitel seiner jüngeren Geschichte auseinanderzusetzen.