Die Journalistin Gülistan Dursun ist von der Istanbuler Polizei zur Aussage geladen worden, nachdem sie an einer Protestaktion teilgenommen hatte, bei der die Tötung zweier Kolleginnen in Südkurdistan verurteilt wurde.
Hintergrund der Ermittlungen ist eine Presseerklärung, die im August auf dem Şişhane-Platz im europäischen Stadtteil Beyoğlu stattfand. Dursun hatte dort an einer von Medienverbänden und Pressegewerkschaften organisierten Kundgebung teilgenommen, bei der der türkische Drohnenmord an den Journalistinnen Gulistan Tara und Hêro Bahadîn in der Nähe der Stadt Silêmanî (Sulaimaniyya) kritisiert wurde.
Die Polizei wirft Dursun vor, durch ihre Teilnahme an der Kundgebung und das Tragen eines Plakats mit der Aufschrift „Wir sind die unbeugsame Feder von Gurbetelli (Ersöz)“ „Propaganda für eine verbotene Organisation“ – gemeint ist die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) – betrieben zu haben. Die Ermittlungen werden von der Sicherheitsabteilung der Istanbuler Polizeidirektion geführt.
Meinungsfreiheit ist kein Verbrechen
In ihrer Aussage wies Dursun die Vorwürfe zurück. Sie habe als Journalistin von der Veranstaltung erfahren und aus beruflichem sowie persönlichem Interesse teilgenommen: „Gurbetelli Ersöz war die erste Chefredakteurin in der Türkei. Zwei Kolleginnen wurden getötet, und Berufsverbände hatten zu der Aktion aufgerufen. Ich war sowohl als Journalistin als auch aus Protest gegen diesen Angriff anwesend“, erklärte sie. Sie betonte, keine propagandistischen Absichten gehabt zu haben: „Ich habe lediglich mein Recht auf Meinungsfreiheit wahrgenommen. Das ist kein Verbrechen.“
Die Ermittlungen dauern an. Eine formelle Anklage liegt bislang nicht vor.
Ähnliche Vorwürfe und Hintergründe in anderem Verfahren
Gülistan Dursun ist Kurdin und arbeitet als Korrespondentin für die in Amed (tr. Diyarbakır) ansässige feministische Frauennachrichtenagentur Jin News. In einem anderen Ermittlungsverfahren saß sie zwischen Dezember und Januar rund fünf Wochen lang in Untersuchungshaft. In dem Fall wird ihr ebenfalls PKK-Propaganda vorgeworfen. Die Hintergründe decken sich mit denen aus den neuen Ermittlungen: Dursun hatte an einer Kundgebung gegen die Ermordung der Journalist:innen Nazım Daştan und Cihan Bilgin durch eine türkische Drohne in Rojava protestiert und war daraufhin festgenommen worden.