Festnahme ohne Akteneinsicht
Die Redakteurin der Nachrichtenplattform Bianet, Tuğçe Yılmaz, ist am Dienstagabend in Istanbul von der Polizei festgenommen worden. Die Festnahme erfolgte nach Angaben von Bianet während einer routinemäßigen Ausweiskontrolle am Fähranleger im asiatischen Stadtteil Kadıköy. Yılmaz wurde zunächst zur Vernehmung auf die örtliche Polizeiwache gebracht. Ihre Aussage vor der Staatsanwaltschaft im Justizpalast Anadolu ist für heute angesetzt.
Wie Bianet berichtet, soll gegen Yılmaz ein Verfahren gemäß Artikel 301 des türkischen Strafgesetzbuches eingeleitet worden sein. Der umstrittene Paragraph stellt die „Herabwürdigung der türkischen Nation“ unter Strafe. Die genaue Aktenlage wurde ihrer Verteidigung bislang jedoch nicht offengelegt.
Juristin kritisiert fehlende Transparenz
Aynur Tuncel Yazgan, Rechtsberaterin der Stiftung für Kommunikation (IPS), zu der auch Bianet gehört, kritisierte die fehlende Transparenz des Verfahrens scharf. Gegenüber der Nachrichtenplattform erklärte sie: „Da kein konkreter Haftgrund genannt und der Zugang zur Ermittlungsakte verweigert wurde, ist es der Verteidigung nicht möglich, wirksam Einspruch gegen die Festnahme einzulegen oder entlastendes Beweismaterial vorzubringen.“
Verstoß gegen rechtsstaatliche Grundsätze
Zudem verwies Yazgan auf Artikel 100 Absatz 4 der türkischen Strafprozessordnung, wonach bei Straftaten mit einer möglichen Freiheitsstrafe von unter zwei Jahren ein generelles Verbot der Untersuchungshaft besteht. Artikel 301 sieht in der Regel maximal zwei Jahre Freiheitsentzug vor. Weiterhin betonte sie, dass gemäß Gesetzeslage eine Festnahme nur bei zwingender Notwendigkeit erfolgen dürfe: „Tuğçe Yılmaz hat einen festen Wohnsitz, einen bekannten Arbeitsplatz und keinerlei Fluchtgefahr. Ihre Inhaftierung entbehrt jeder rechtlichen Grundlage.“