KCK gedenkt der Opfer des Pogroms von Sivas

Zum Jahrestag des Anschlags auf das Madımak-Hotel in Sivas erinnert die KCK an die Opfer und verurteilt die anhaltende Kultur der Straflosigkeit. Eine Demokratisierung des Landes sei der einzige Weg aus der Geschichte staatlich geduldeter Gewalt.

„Ausstieg aus der Gewalt nur durch Demokratisierung möglich“

Anlässlich des 32. Jahrestages des Sivas-Massakers hat die Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK) der Opfer gedacht und scharfe Kritik an der Rolle des türkischen Staates bei historischen Gewaltverbrechen gegen Minderheiten geübt. In einer schriftlichen Stellungnahme erklärte der KCK-Exekutivrat, dass eine Aufarbeitung des Massakers nur durch die Überwindung des „einheitlichen, nationalstaatlichen Denkens“ möglich sei.

„32 Jahre sind seit dem Sivas-Massaker vergangen, das wir mit großer Wut und tiefer Trauer in Erinnerung behalten“, heißt es in der Erklärung. „Wir verurteilen dieses von rassistischen, religiös-fundamentalistischen und faschistischen Kräften verübte Verbrechen zutiefst und gedenken der Opfer mit Respekt.“

35 Menschen, überwiegend alevitische Dichter:innen, Denker:innen, Sänger:innen und Folkloretänzer:innen sowie zwei Angestellte, verbrannten oder erstickten am 2. Juli 1993, als ein islamistischer Mob in der Stadt Sivas, deren kurdischer Name Sêwas lautet, Brandsätze in das Hotel Madımak warf. An jenem Tag fand wie Jahre zuvor ein Kulturfestival statt, das der alevitischen spirituellen Identifikationsfigur Pir Sultan Abdal gewidmet war – ein Volksdichter und Freiheitsheld aus dem 16. Jahrhundert, der in seinen Gedichten die sozialen, kulturellen und religiösen Empfindungen seiner Mitmenschen ausdrückte und wegen Rebellion gegen die osmanische Herrschaft hingerichtet wurde.

„Ein gezielter Angriff auf Alevit:innen und demokratische Kräfte“

Die KCK sieht in dem Pogrom mehr als nur einen Akt religiöser Intoleranz. Es sei Teil einer systematischen Gewaltgeschichte gegen das alevitische Glaubensbekenntnis sowie gegen die demokratische und intellektuelle Opposition in der Türkei. In der Erklärung heißt es: „Wie zuvor in Çorum und Maraş war das Ziel nicht nur die Alevit:innen selbst, sondern auch die revolutionären, demokratischen Kräfte der Gesellschaft.“

Der Dachverband der kurdischen Bewegung macht staatliche Akteure für die Eskalation verantwortlich: „Jede dieser Gewalttaten wurde mit gezielten Provokationen vorbereitet, durch paramilitärische Strukturen angeheizt und in der Folge durch staatliche Institutionen gedeckt oder gar legitimiert“, heißt es. Auch im Fall von Sivas seien die Täter über Jahre hinweg geschützt und schließlich strafrechtlich nicht zur Rechenschaft gezogen worden.

Vergleich mit staatlicher Gewalt gegen Kurd:innen

Die KCK zieht Parallelen zwischen der staatlichen Repression gegenüber Alevit:innen und der Gewaltgeschichte gegenüber Kurd:innen: „Wie Kurd:innen seit der Republikgründung mit Leugnung, Assimilation und Massakern konfrontiert wurden, ist auch das alevitische Volk mit systematischem Druck, religiöser Diskriminierung und kultureller Auslöschung konfrontiert worden.“

Aufruf zur Demokratisierung der Republik

Laut der KCK sei dieser „inklusiv ausgrenzende Nationalstaat“ ebenso gegen andere ethnische und religiöse Minderheiten vorgegangen. Ein Ausweg könne nur über eine demokratische Transformation des Staates führen. Die Organisation knüpft ihren Ausweg aus der Gewaltgeschichte an das Konzept einer „demokratischen Gesellschaft“, das vom PKK-Gründer Abdullah Öcalan vorgeschlagen wurde. Dieses Modell setze auf die „geschwisterliche Koexistenz der Völker auf Grundlage von Gleichheit und Freiheit“ und biete eine Alternative zur autoritären Staatslogik.

„Unser deutlichster historischer Gegenvorschlag zu diesen Massakern ist der Aufbau einer demokratischen Gesellschaft“, heißt es abschließend. „In diesem Bewusstsein gedenken wir erneut mit Respekt derer, die beim Sivas-Massaker ihr Leben verloren haben.“