Der Journalist und Korrespondent der Nachrichtenagentur Mezopotamya (MA), Barış Polat, ist heute in der nordkurdischen Provinzhauptstadt Riha (Urfa) festgenommen worden. Wie MA berichtet, erfolgte die Festnahme Polats vor dem Gerichtsgebäude der Stadt. Polat habe demnach versucht, ein Gespräch zwischen der Staatsanwaltschaft und Emine Şenyaşar zu verfolgen, deren Ehemann und zwei ihrer Söhne am 14. Juni 2018 in Pirsûs (Suruç) Opfer eines Dreifachmordes wurden. Zehn Tage vor den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen waren Hacı Esvet Şenyaşar und seine Söhne Adil und Celal Şenyaşar auf einer Wahlkampftour des AKP-Kandidaten İbrahim Halil Yıldız ermordet worden.

Was geschah in Pirsûs?

Nach Angaben von Augenzeugen und Mitgliedern von Menschenrechtsorganisationen hatte Yıldız im Rahmen seiner Wahlkampftour den Laden von Hacı Esvet Şenyaşar besucht und seine Stimme eingefordert. Şenyaşar war von AKP-Mitgliedern bereits länger unter Druck gesetzt worden und hatte am besagten Tag erneut erklärt, die AKP nicht zu wählen. Als auch Familienangehörige von Şenyaşar die gleiche Antwort gaben, schlug der Bruder des Abgeordneten dem Sohn von Hacı Esvet Şenyaşar, Celal Şenyaşar, ins Gesicht. Sofort danach fielen Schüsse. Menschen aus der Region berichteten, die AKP habe in Pirsûs einen Wahlkampf im „Mafia-Stil“ geführt. Überzeugungsarbeit wurde demnach mit Zwang, Gewalt und Waffen geleistet.

Mit Sauerstoffflasche den Schädel eingeschlagen

Mit den ersten Schüssen starb Celal Şenyaşar. Zwei weitere Söhne von Hacı Esvet Şenyaşar wurden in das staatliche Krankenhaus eingeliefert. Hacı Esvet Şenyaşar, der am Ort des Geschehens ebenfalls geschlagen wurde, eilte wegen seiner Söhne sofort zum Krankenhaus. Dort war bereits der AKP-Abgeordnete İbrahim Halil Yıldız, der erneut für einen Parlamentssitz kandidiert. Nach Angaben von Augenzeugen wurde Hacı Esvet Şenyaşar am Eingang des Krankenhauses von einem Mob gelyncht. Sein Sohn Mehmet Şenyaşar wurde durch Schläge mit einer Sauerstoffflasche auf den Kopf getötet.

Barış Polat erst seit Oktober wieder frei

Seit der Journalist Barış Polat nach sieben Monaten in Untersuchungshaft im Oktober 2018 aus dem Gefängnis entlassen wurde, verfolgt er den Prozess um den Dreifachmord von Pirsûs. Dem ehemaligen Mitarbeiter der per Notstandsdekret verbotenen Tageszeitung Özgürlükçü Demokrasi wird jedoch weiterhin „Mitgliedschaft und Propaganda für eine terroristische Organisation“ vorgeworfen. Die Anklage wirft Polat vor, die Anrede „Heval“ – das kurdische Wort für „Freund“ – benutzt und kurdische Musik gehört zu haben. Der Prozess wird vor einem Strafgericht in Dîlok (Antep) verhandelt.