Was passierte in Pirsûs?

Wenige Tage vor den Wahlen am 24. Juni kam es in der kurdischen Stadt Pirsûs (Suruç) in der Provinz Riha (Urfa) zu einem bewaffneten Angriff von AKP-Funktionären und ihren Bodyguards auf HDP-Wähler. Dabei wurden vier Personen getötet.

Nach Angaben von Augenzeugen und Mitgliedern von Menschenrechtsorganisationen hat der AKP-Kandidat Ibrahim Halil Yıldız im Rahmen seiner Wahlkampftour den Laden von Hacı Esvet Şenyaşar besucht und seine Stimme eingefordert. Der gleiche Ladenbetreiber wurde von AKP-Mitgliedern seit Tagen unter Druck gesetzt. Şenyaşar erklärte, die AKP nicht zu wählen. Als auch Familienangehörige von Şenyaşar die gleiche Antwort gaben, schlug der Bruder des Abgeordneten dem Sohn von Hacı Esvet Şenyaşar, Celal Şenyaşar, ins Gesicht. Sofort danach fielen Schüsse. Menschen aus der Region berichten, die AKP führe in Pirsûs einen Wahlkampf im „Mafia-Stil“. Überzeugungsarbeit werde mit Zwang, Gewalt und Waffen geleistet.

Mit Sauerstoffflasche den Schädel eingeschlagen

Mit den ersten Schüssen starb Celal Şenyaşar. Zwei weitere Söhne von Hacı Esvet Şenyaşar wurden in das staatliche Krankenhaus eingeliefert. Hacı Esvet Şenyaşar, der am Ort des Geschehens ebenfalls geschlagen wurde, eilte wegen seiner Söhne sofort zum Krankenhaus. Dort war bereits der AKP-Abgeordnete İbrahim Halil Yıldız, der erneut für einen Parlamentssitz kandidiert. Nach Angaben von Augenzeugen wurde Hacı Esvet Şenyaşar am Eingang des Krankenhauses von einem Mob gelyncht. Sein Sohn Mehmet Şenyaşar wurde durch Schläge mit einer Sauerstoffflasche auf den Kopf getötet. Es wird berichtet, dass der Bruder des Abgeordneten Mehmet Ali Yıldız ebenfalls Opfer der von ihnen entfesselten Gewalt geworden ist.

Kameras im Krankenhaus zerstört

Neun weitere Personen wurden durch Angriffe der AKPler verletzt. Nachdem die Verletzten ins Krankenhaus gebracht worden waren, wurden die dortigen Überwachungskameras zerstört. Lokale Quellen bestätigen, dass die Zerstörung geplant war. Die Übergriffe der AKP-Anhänger gingen sowohl im Krankenhaus als auch davor weiter.

Die Vorsitzende der Menschenrechtsstiftung der Türkei (TIHV), Prof. Dr. Şebnem Korur Fincancı, teilte das Bild einer der zerstörten Kameras in den sozialen Medien und schrieb dazu: „Die Zerstörung der Kameras im Krankenhaus von Suruç zeigen, dass dieser Angriff geplant war.“

IS-Methode: Einer Person wurde die Kehle durchgeschnitten

Es gibt noch erschreckendere Berichte. In einer weiteren Nachricht von Fincancı heißt es: „Einem der DBP-Mitglieder wurde der Kopf mit einer Sauerstoffflasche eingeschlagen, einer wurde erschossen, einem weiteren wurde die Kehle durchgeschnitten.“

CHP-Kreisvorsitzender von Pîrsus: Vater und Sohn im Krankenhaus ermordet

Der Kreisvorsitzende der CHP von Pîrsus, Servet Gören, wies auf die Brutalität des Angriffs im Krankenhaus hin. Gören erklärte, Hacı Esvet Şenyaşar und sein Sohn seien im Krankenhaus umgebracht worden: „İbrahim Halil Yıldız und seine Brüder gehen in den Laden eines Kurzwarenhändlers. Als der Ladenbesitzer dagegen protestiert, kommt es zu einer bewaffneten Auseinandersetzung. Sie greifen an. Der Vater und der Sohn werden ins Krankenhaus gebracht und dort umgebracht.“

CHP-Abgeordneter Irgil: Haben die Verletzten im Krankenhaus Selbstmord begangen?

Der CHP-Abgeordnete Dr. Ceyhun Irgil hat bezüglich der Berichterstattung in den türkischen Medien, in der von einem Angriff aus HDP-Kreisen auf die AKP ausgegangen wird, folgende Fragen aufgeworfen:

*Greift ein Mensch eine Delegation, die in seinen Laden kommt, mit einer Waffe an?

*Auf Seiten der angeblichen Angreifer gibt es drei Tote, auf der Seite der angeblich Angegriffenen nur einen Toten.

*Die angeblichen Angreifer wurden verletzt ins Krankenhaus gebracht, haben sie im Krankenhaus Selbstmord begangen?

Türkischer Ärzteverband: Sicherheitsmängel in Krankenhäusern

Der türkische Ärzteverband TTB erklärte zu den Ereignissen: „Die Information, dass zwei der Todesfälle im Krankenhaus stattfanden, zeigen, dass ein ernsthafter Bedarf nach Sicherheit in den Krankenhäusern besteht.“

Zweitägige Trauer bei der HDP

Die Demokratische Partei der Völker (HDP) hat aufgrund der Todesfälle eine zweitägige Trauerzeit ausgerufen, in der der Wahlkampf in Pirsûs für zwei Tage ausgesetzt wird. Sie rief das Innen- und Justizministerium auf, ihrer Aufgabe nachzukommen: „Wir bitten die Bevölkerung von Pirsûs und die demokratische Öffentlichkeit, nicht auf diese Provokationen einzugehen und zurückhaltend zu reagieren.“

Die Medien der AKP haben den Täter schon gefunden

Nach den grausamen Morden von Pirsûs reagierten die Medien des türkischen Staates wie aus einem Mund mit der Beschuldigung der PKK. Einige der Überschriften lauten:

Yeni Şafak: PKK greift AKP-Abgeordneten an, Satar: „PKK greift Delegation der AKP an“, Sabah: „Verräterischer Angriff auf AKP-Delegation“, Türkiye: „PKK-Angriff auf AKP“, Akşam: „Kugeln der PKK auf AKP-Mitglieder“. Die Milliyet benannte die Quelle dieser Behauptungen, indem sie Erdoğan zitierte: „Der Bruder unseres Abgeordneten wurde von der PKK ermordet.“

Mafia-Abgeordneter der AKP: İbrahim Halil Yıldız

Der AKP-Abgeordnete und Kandidat İbrahim Halil Yıldız ist für seine Mafia-Methoden bekannt. Beim Verfassungsreferendum drang er mit 20 Bewaffneten in eine Schule ein und nahm die Wahlkommission als Geiseln.