2021 bei Anschlag auf die HDP in Izmir erschossen
Vier Jahre nach dem tödlichen Anschlag auf die HDP-Zentrale in Izmir ist der Name Deniz Poyraz erneut zum Symbol für den Kampf gegen politische Gewalt und Straflosigkeit geworden. Am Jahrestag der Ermordung der Kurdin versammelten sich Angehörige, Freund:innen und Vertreter:innen zahlreicher zivilgesellschaftlicher Gruppen und Parteien an ihrem Grab auf dem Friedhof im Bezirk Buca. Zeitgleich fanden in mehreren Provinzen parallele Gedenkveranstaltungen statt.
Grabbesuch in Izmir
Das zentrale Gedenken begann mit einer Schweigeminute für „alle, die im Ringen um Freiheit und Demokratie ihr Leben ließen“. Unter den Teilnehmenden waren Mitglieder der Initiative der Friedensmütter, Aktivistinnen der Frauenbewegung TJA, Abgeordnete der Partei der Völker für Gleichheit und Demokratie (DEM) sowie zahlreiche Bürger:innen.
Müzeyyen Kortak von den Friedensmüttern würdigte Poyraz als „Ehrenschild unserer Bewegung“ und betonte: „Solange wir leben, werden wir ihren Weg weitergehen. Wir akzeptieren nicht, dass Deniz grundlos hingerichtet wurde.“

Die DEM-Abgeordnete Adalet Kaya bezeichnete die Tat als „organisierten Angriff auf das friedliche Zusammenleben der Völker“. „Deniz Poyraz war nicht nur ein Mensch, sondern eine Repräsentantin von Millionen. Sie wurde nicht zufällig zur Zielscheibe – es war ein gezielter Angriff auf die Werte von Gleichheit, Frieden und Solidarität. Doch ihre Stimme wurde nicht zum Schweigen gebracht – sie lebt in unserer politischen Arbeit weiter.“
Auch Poyraz’ Mutter, Fehime Poyraz, sprach bei der Zeremonie und betonte die persönliche wie kollektive Dimension der Tat: „Wenn mich die Kraft verlässt, sehe ich das Gesicht meiner Tochter vor Augen. Diese Trauer ist eine Kraftquelle. Wir Frauen, wir Mütter werden uns niemals beugen.“
Gedenken in weiteren Städten
Auch in anderen Regionen der Türkei fanden am Todestag von Poyraz Gedenkaktionen statt. In Riha (tr. Urfa) versammelten sich Mitglieder der DEM-Partei, Friedensmütter und Vertreter:innen zivilgesellschaftlicher Bündnisse vor dem Parteibüro. In einer gemeinsamen Erklärung forderte die DEM-Politikerin Ayşe Sürücü die vollständige Aufklärung des Attentats. „Die Tat war kein Einzelfall, sondern das Resultat eines Klimas aus institutionalisierter Gewalt, Rassismus und Straflosigkeit. Ohne die Offenlegung der Hintermänner kann von einem gerechten Rechtsstaat keine Rede sein“, betonte Sürücü.

In Meletî (Malatya) kamen Parteimitglieder und Aktivist:innen auf dem Gelände der örtlichen DEM-Vertretung zusammen. Die Ko-Vorsitzende des Provinzverbands, Nurhayat Şimşek, betonte: „Deniz’ Einsatz für Gerechtigkeit ist für uns bleibender Auftrag. Ihr Vermächtnis verpflichtet uns, ihre Ideale weiterzutragen.“
Auch in Mersin wurde Deniz Poyraz gedacht. An der dortigen Gedenkveranstaltung nahmen neben der DEM-Abgeordneten Perihan Koca auch Mitglieder Plattform für Arbeit und Demokratie sowie der Friedensmütter teil. Bedriye Kuş, Ko-Vorsitzende der DEM-Partei in Mersin, erklärte: „Der Abzug des Täters war nicht das Werk eines Einzelnen. Es war ein Produkt eines Systems, das auf Verleugnung, Hassrhetorik und der Kriminalisierung von Minderheiten beruht.“
Perihan Koca ergänzte, dass der Mord nur im Kontext eines autoritären Systems zu verstehen sei, das politische Gewalt normalisiere: „Dieses Blutvergießen wird nur durch eine demokratische Verfassung, durch eine pluralistische und gleichberechtigte Gesellschaft überwunden. Unser Versprechen gilt Deniz, ihrer Mutter und allen, die Gerechtigkeit fordern.“

Auch in Êlih (Batman) versammelten sich zahlreiche Vertreter:innen politischer und zivilgesellschaftlicher Organisationen. In den Räumen der DBP wurden Kerzen entzündet, Fotos von Deniz Poyraz aufgestellt und Blumen niedergelegt. Die Gedenkveranstaltung endete mit den Worten: „Şehîd namirin“ – „Die Gefallenen sind unsterblich“.
Kritik am Prozess: Straflosigkeit für politische Hintermänner
Deniz Poyraz (38) war am 17. Juni 2021 von Onur Gencer, einem Rechtsextremen mit Verbindungen zu ultranationalistischen Kreisen innerhalb des Staatsapparats, in der HDP-Zentrale in Izmir mit mehreren Schüssen ermordet worden. Die Parteizentrale war zum Tatzeitpunkt rund um die Uhr polizeilich überwacht.
An jenem Tag sollte in dem Gebäude eine Vorstandssitzung mit etwa vierzig Personen stattfinden, die kurzfristig verschoben worden war. Die HDP sprach daher von einem Massaker, das dort hätte stattfinden sollen. Gencer selbst äußerte in seiner Vernehmung, das Attentat mit dem Ziel ausgeführt zu haben, „auf alles und jeden zu schießen, der sich mir nähern würde“.
2022 wurde Gencer in einem umstrittenen Verfahren zu lebenslanger Haft verurteilt. Doch die Forderung nach einer umfassenden Aufklärung des politischen Hintergrunds blieb unbeantwortet. Angehörige und Beobachter:innen kritisieren das Verfahren als „Schauprozess“ – die mutmaßlichen Hintermänner blieben unbehelligt, das Revisionsverfahren ist bis heute nicht abgeschlossen.