Die am Donnerstag von einem türkischen Faschisten in der HDP-Zentrale ermordete Deniz Poyraz ist unter großer Anteilnahme in Buca bei Izmir beigesetzt worden. Der Leichnam wurde zunächst zum Haus ihrer Familie in Konak gebracht, wo sich eine große Menschenmenge versammelt hatte. Von dort aus wurde der Sarg zur Kadifekale-Moschee geleitet. Bei der Trauerfeier wurden Ansprachen von den HDP-Vorsitzenden Pervin Buldan und Mithat Sancar sowie von dem Oberbürgermeister von Izmir, Tunç Soyer (CHP), gehalten.
Sancar: „Ein angekündigtes Massaker“
Sancar sprach den Angehörigen, den Mitgliedern seiner Partei und dem kurdischen Volk auf Kurdisch sein Mitgefühl aus und erklärte: „Gestern hat ein niederträchtiger Angriff auf unseren Provinzverband Izmir stattgefunden. Unsere Schwester Deniz ist brutal ermordet worden. Dieser Mord, dieser Angriff, dieses Massaker hat sich vor aller Augen angekündigt. Wir haben es mit einem Bandensystem, mit der Mafia, mit einem auf Raub, Plünderung und Blut basierenden System zu tun. Die Regierung, die dieses System aufrecht erhält, lebt von der Feindlichkeit gegenüber den Kurden, der Demokratie und der Freiheit.“
Eingangskontrollen am Friedhof durch Militärpolizei
Die Regierung habe eine hasserfüllte Atmosphäre geschaffen und der Mord an Deniz Poyraz sei kein Einzelfall, erklärte der HDP-Vorsitzende und wiederholte die Worte ihrer Mutter: „Eine Deniz ist gegangen, Tausende werden kommen.“
Buldan: „Wer hat den Mörder beauftragt?“
Pervin Buldan sagte hinsichtlich der riesigen Menschenmenge bei der Trauerfeier: „Es ist dieser Anblick, der Anblick all dieser Menschen, die aus dem Gefühl der Solidarität heraus hierhergekommen sind und uns beistehen, der die demokratische Politik in der Türkei neu formieren wird.“ Es sei wichtig, gemeinsam gegen die gesellschaftliche Polarisierung einzustehen und sich nicht als Vaterlandsverräter abstempeln und spalten zu lassen, so die HDP-Vorsitzende: „Wir empfinden heute großen Schmerz und werden jetzt eine junge Freundin in die Endlosigkeit verabschieden. Als Frauen geben wir unser Wort, dass wir das von ihr hinterlassene Erbe annehmen und ihre Fahne weitertragen werden.“
Die HDP-Vorsitzenden Mithat Sancar und Pervin Buldan (links im Bild)
Das Massaker in Izmir sei gewollt und geplant gewesen, führte Buldan weiter aus. Es handele sich nicht um einen Einzeltäter, hinter ihm stehe eine Kraft und er habe Verbindungen, die jedoch nicht Gegenstand der polizeilichen Ermittlungen seien. „Es wurde überhaupt nicht ermittelt, von wem der Mörder beauftragt worden ist, wer ihm die Waffe gegeben und den Befehl erteilt hat.“ Der Anschlag könne auch nicht als Provokation bewertet werden, vielmehr handele es sich um eine Operation gegen die HDP und ein Massaker am kurdischen Volk. Dass dieses Massaker kommen werde, war laut Buldan aufgrund vorangegangener Erklärungen von Erdogan und Regierungsvertretern und der systematisch betriebenen Hetze „vorhersehbar“.
Soyer: „Diese Kugel galt uns allen“
Oberbürgermeister Tunç Soyer (CHP) sagte in seiner Ansprache: „Diese Kugel galt nicht nur der HDP und den Kurden. Sie wurde auf uns alle abgefeuert, auf unsere Geschwisterlichkeit und unsere Einheit. Wir werden nicht sterben, wir werden gemeinsam und geschwisterlich eine schöne Türkei gründen. Mein Mitgefühl gilt uns allen.“
„Wir sind alle Deniz, wir sind alle HDP“
Im Anschluss wurde der Leichnam zum Friedhof in Buca begleitet. Dem Leichenwagen folgten Tausende Menschen, viele von ihnen trugen Schilder mit der Aufschrift „Wir sind alle Deniz, wir sind alle HDP“. Der Friedhof wurde von Tausenden Sicherheitskräften mit Panzerwagen belagert. Bei der Ankunft am Friedhof nahmen Frauen den mit lila Tüchern und Nelken geschmückten Sarg auf die Schultern und trugen ihn zum Grab, während das berühmte Lied „Sê jinên azad“ (Drei freie Frauen) von Delîla gespielt wurde.
„Gefallene sterben nicht!“
Zweien der drei inhaftierten Brüder von Deniz, Süleyman und Ibrahim Poyraz, war die Teilnahme an der Beerdigung genehmigt worden. Kamuran Poyraz bekam keine Genehmigung. Während der Leichnam von Deniz Poyraz beigesetzt wurde, riefen die Anwesenden: „Gefallene sterben nicht!“
Es war eng auf dem Friedhof Buca
Die Familie stammt ursprünglich aus der Omerya-Region in der nordkurdischen Provinz Mêrdîn (tr. Mardin), wo Deniz Poyraz 1983 geboren wurde. Im Jahr 1990, als die staatliche Verfolgung in den kurdischen Gebieten durch Folter, Dorfverbrennungen und systematischen Vertreibungsmaßnahmen ihren Höhepunkt erreichte, verließ die Familie ihr Dorf und ließ sich in Izmir nieder. Drei Söhne von Fehime und Abdülilah Poyraz befinden sich derzeit in türkischen Gefängnissen.