Entsetzen und Wut trieben auch in Nürnberg viele Menschen auf die Straße, um öffentlich gegen den gestrigen Mord an der HDP-Aktivistin Deniz Poyraz zu protestieren.
Auf der vom „Bündnis der Demokratischen Kräfte Nürnberg“ (ADGB) einberufenen Kundgebung drückten die über 100 Teilnehmenden nach einer Schweigeminute für die gestern von einem türkischen Faschisten ermordete Deniz Poyraz ihre Solidarität mit der HDP aus.
Dass ein bewaffneter Attentäter unbehelligt in die rund um die Uhr von der Polizei bewachte – besser: belagerte – Parteizentrale der HDP in Izmir spazieren konnte, lässt zumindest eine staatliche Duldung, wenn nicht gar aktive Unterstützung des Terrors gegen die zweitgrößte Oppositionspartei in der Türkei vermuten – diese Meinung teilten alle Redner:innen.
Die Spirale der Gewalt gegen die HDP und ihre Unterstützer:innen dreht sich immer schneller. Erdogans AKP und ihr faschistischer Koalitionspartner MHP wissen, dass ihre Zeit abgelaufen ist. Das verrottete System mit seinen mafiösen Strukturen, die wirtschaftliche Talfahrt und nicht zuletzt die militärischen Niederlagen im Kampf gegen die Freiheitsguerilla der PKK veranlassen den Staatsapparat zu immer brutaleren Methoden. Wenn man politisch oder juristisch mit der HDP und der Freiheitsbewegung nicht fertig wird, werden Killer geschickt. Das letzte Mittel der Wahl im Faschismus ist immer die Verbreitung von Angst und Schrecken.
Die junge HDP-Aktivistin Deniz Poyraz, eine Kurdin aus Mêrdîn (tr. Mardin), ist das bisher letzte Opfer, das zu beklagen ist in einem Staat, dessen Apparat sich nur noch mit Terror am Leben erhält.
Immer wieder hat sich im Lauf der Geschichte gezeigt, wie brutal der Überlebenskampf einer Diktatur ist. Besiegt werden kann sie nur durch den Zusammenhalt und die Entschlossenheit der demokratischen Zivilgesellschaft. Die HDP hat alle Voraussetzungen, diesen Kampf um eine demokratische Nation zu gewinnen. Sie braucht jetzt die Solidarität aller Antifaschisten. In der vom Bündnis ADGB verlesenen Botschaft heißt es: „Wir teilen das Leid der Familie unserer Genossin Deniz Poyraz und der HDP. Wir werden Rechenschaft über diese Schmerzen verlangen, indem wir gemeinsam kämpfen. Deniz Poyraz wird in unserem Kampf weiterleben.“
Kerem Schamberger ging in seinem Redebeitrag auf die Strukturen des türkischen Staates ein und erläuterte, wie tief verankert Nationalismus und Rassismus im Regime des Recep Tayyip Erdogan sind. Er appellierte an die demokratischen Kräfte, jetzt zusammen zu stehen, um dieser Diktatur ein Ende zu bereiten.
Es sei, so die Meinung vieler Redner:innen, jetzt Aufgabe aller Demokrat:innen in Europa, die Öffentlichkeit wieder und wieder zu informieren über das wahre Gesicht von Deutschlands liebstem Bündnispartner, der auch hier seine Schergen in den Banden der „Grauen Wölfe", von der Türkei bezahlte faschistische Schlägertrupps. Die Liste der Verbrechen der Erdogan-Diktatur wird täglich länger. Das Schweigen darüber müsse endlich gebrochen werden. Statt immer wieder einem Kriegsverbrecher die Hand zu reichen, sollten die demokratischen Kräfte gestärkt und die Verfolgung und Kriminalisierung von Oppositionellen in Deutschland beendet werden.
Mit Parolen wie “Faşizme karşı omuz omuza” (Schulter an Schulter gegen den Faschismus) und “HDP halktır, halk burada“ (Die HDP ist das Volk und das Volk ist hier) endete die Kundgebung.
Auch in zahlreichen weiteren europäischen Städten haben ähnliche Protestaktionen stattgefunden.
St. Gallen, Schweiz
Mulhouse, Frankreich
Luzern, Schweiz
Oldenburg, Niedersachsen
Montpellier, Frankreich