Festgenommene Journalist:innen kommen vor den Haftrichter

In der Türkei sind vor einer Woche zwanzig Journalist:innen festgenommen worden, die kurdischen Medien sollen zum Schweigen gebracht werden. Heute finden die staatsanwaltschaftlichen Verhöre statt, für einige Betroffene wurde bereits Haftbefehl beantragt.

Die vor einer Woche in Amed (tr. Diyarbakir) festgenommenen 20 Journalist:innen und zwei weitere Personen werden dem Haftrichter vorgeführt. Vor dem Justizgebäude in der nordkurdischen Metropole haben sich zahlreiche Kolleginnen und Kollegen sowie Familienangehörige und Vertreter:innen zivilgesellschaftlicher Organisationen und politischer Parteien versammelt und fordern die Freilassung der Freilassung der Festgenommenen.

Vor dem Justizgebäude in Amed: „Ihr könnt uns nicht zum Schweigen bringen“

Kadri Esen, Konzessionsinhaber der kurdischen Zeitung Xwebûn, erklärte auf der Kundgebung: „Uns wird vermittelt, dass wir das Geschehen in Kurdistan vor der ganzen Welt verheimlichen sollen. Das werden wir nicht tun. Wir werden der Bevölkerung weiterhin über alle Geschehnisse berichten. Die kurdischen Medien sollen mit dieser Operation zum Schweigen gebracht werden.“

Dicle Müftüoğlu, die als Ko-Vorsitzende der Journalistenvereinigung DFG selbst vor Kurzem vier Tage in Polizeihaft genommen wurde, betonte in einer Rede erneut, dass sich die kurdischen freien Medien der Repression nicht beugen werden. „Unsere Kolleginnen und Kollegen sind ins Visier gerückt, weil sie journalistisch arbeiten und die Wahrheit öffentlich machen. Aus diesem Grund sind ihre Wohnungen und Arbeitsplätze gestürmt worden. Mit dieser Operation wird Journalistinnen und Journalisten signalisiert, dass sie kriminalisiert werden, wenn sie die Öffentlichkeit über wahre Geschehnisse informieren. Die freien Medien sind in der Vergangenheit auch nicht durch Bombenanschläge, Morde und das Verschwindenlassen in staatlichem Gewahrsam zum Schweigen gebracht worden. Wir lassen uns auch heute nicht Schweigen bringen“, sagte Dicle Müftüoğlu und rief zur Solidarität auf.

Regierungspresse hat Einblick in die Akte, Anwälte nicht

Nach wie vor ist unklar, was den Journalist:innen juristisch vorgeworfen wird. Die Ermittlungsakten unterliegen einer Geheimhaltungsklausel und sind auch für die Rechtsbeistände nicht zugänglich. Regierungsnahe Medien wie die amtliche Nachrichtenagentur AA und der staatliche Sender TRT dagegen haben offensichtlich Einblick in die Ermittlungsunterlagen. So heißt es in entsprechenden Berichten zur kruden Argumentation des Verfahrens, es sei festgestellt worden, dass die beschuldigten Medienschaffenden und ihre Einrichtungen „Propaganda für eine Terrororganisation“ betreiben würden, TV-Programme „zugunsten des Anführers der Terrororganisation“ – gemeint ist der PKK-Begründer Abdullah Öcalan – produziert hätten, zur „Beeinflussung der Öffentlichkeit Agitation“ betreiben, „indem sie den Eindruck erwecken, die Operationen türkischer Streitkräfte gegen die Terrororganisation würden sich gegen das kurdische Volk richten“, sich „für die Legitimation der Terrororganisation“ betätigten, „Anweisungen von der Führungsebene“ weiterleiteten und „Terroristen mittels Nachrichtenbeiträgen und TV-Programmen über Operationen und Aktivitäten der Luftwaffe“ informierten.

Festgenommene Journalist:innen und durchsuchte Medieneinrichtungen

Bei den Festgenommenen handelt es sich um Serdar Altan (Ko-Vorsitzender des Journalistenvereins Dicle-Firat, DFG), Safiye Alagaş (Direktorin der Frauennachrichtenagentur JinNews), Gülşen Koçuk (Redakteurin von JinNews), Aziz Oruç (Redakteur der Nachrichtenagentur Mezopotamya, MA), Ömer Çelik, Suat Doğuhan, Ramazan Geciken, Berivan Karatorak, Esmer Tunç, Neşe Toprak, Zeynel Abidin Bulut, Mazlum Doğan Güler, Mehmet Şahin, Elif Üngür, Ibrahim Koyuncu, Remziye Temel, Mehmet Yalçın und Abdurrahman Öncü. Im selben Ermittlungsverfahren ist auch die Aktivistin Feynaz Koçuk aus Gebze in der Westtürkei festgenommen worden. Wie bekannt wurde, befindet sich mit Ihsan Ergülen eine 22. Person aufgrund derselben Ermittlungen in Gewahrsam. Die Zahl der durchsuchten Medieneinrichtungen beläuft sich auf sechs, darunter zwei Nachrichtenagenturen (MA und JinNews) und eine kurdischsprachige Zeitung (Xwebûn). Auch drei Produktionsfirmen (Piya, Ari und Pel) wurden ins Visier genommen. Das Medienmaterial in diesen Einrichtungen wurde von der Polizei beschlagnahmt.