An seinem Grab in Serê Kaniyê (tr. Ceylanpınar) ist dem kurdischen Journalisten Hüseyin Deniz gedacht worden. Der Kolumnist und Korrespondent der Zeitung „Özgür Gündem” wurde am 9. August 1992 auf dem Weg in sein Büro von einem Killerkommando mit einem Kopfschuss niedergestreckt. Einen Tag später erlag er in einem Krankenhaus in Amed seinen Verletzungen. An dem Grabbesuch auf dem Friedhof Serê Kaniyê nahmen seine Schwester Newroz Deniz, sein Sohn Şervan Deniz, im Journalistenverein DFG und bei der Journalistinnenplattform MKGP organisierte Kolleginnen und Kollegen, Mitglieder der HDP-Verbände der Provinz Riha (Urfa) sowie Menschen aus der Bevölkerung teil.
Autor von Buch zu kurdischen Sprichwörtern
Hüseyin Deniz war PEN-Mitglied und hatte ein Buch über kurdische Sprichwörter veröffentlicht. Als Journalist recherchierte er damals wie die meisten Mitwirkenden von Özgür Gündem über die radikalislamistische Konterguerilla Hizbullah. Der türkisch-kurdische Ableger der Stay-behind-Organisation „Gladio“ der NATO verübte in den achtziger und neunziger Jahren im Auftrag des „Amtes für besondere Kriegsführung“ Anschläge gegen kurdische Oppositionelle und Intellektuelle. Als primäres Ziel dieser Todesschwadronen galten vor allem Journalist:innen.
Hüseyin Deniz war 36 Jahre alt, als er ermordet wurde
Kurz vor Tod Regierung für Journalistenmorde verantwortlich gemacht
Nur zwei Tage vor dem Anschlag in Serê Kaniyê hatte Hüseyin Deniz in einem Kommentar die türkische Regierung für die Attentate gegen Medienschaffende – 1992 fielen insgesamt vierzehn Journalisten den staatlichen Killerkommandos zum Opfer – verantwortlich gemacht: „Die Journalistenmorde passieren unter einer Koalitionsregierung, die sich selbst als Meisterin von ,Demokratisierung‘ und ,Transparenz‘ preist. Doch die Regierungspolitik ermuntert die Mörder, Journalisten umzubringen“. Der Mord an dem Özgür-Gündem-Korrespondenten Yahya Orhan, der am 31. Juli 1992 in Êlih-Kercews (Batman-Gercüş) gerade mal 100 Meter von einer Polizeiwache von „Unbekannten“ erschossen wurde, war der Anlass für den Kommentar. „Orhan war das vorläufig letzte Opfer. Ich spreche von ,vorläufig‘, weil ich nicht wissen kann, ob andere Journalisten ermordet sein werden, wenn dieser Artikel erscheint“, schrieb Hüseyin Deniz. Zwei Tage danach wurde er selbst kaltblütig niedergestreckt. Seine Mörder wurden bis heute nicht zur Rechenschaft gezogen.
Hüseyin ist unvergessen, wer erinnert sich heute noch an die Namen der Mörder?
An dem Gedenken für Hüseyin Deniz beteiligte sich unter anderem auch Ziya Çalışkan, Ko-Vorsitzender der HDP-Riha. In einer Ansprache sagte der Politiker: „29 Jahre sind mittlerweile vergangen, seit uns der Mord an unserem Freund erschütterte. Die Erinnerungen an ihn werden niemals verblassen. Hüseyin Deniz hatte sich auf die Suche nach der Wahrheit begeben, um für nachfolgende Generationen seinen Beitrag zu leisten für eine unbeschwerte Zukunft. Auch Nazım Babaoğlu, Deniz Fırat und viele andere trugen diesen Kampf aus. Hüseyin wurde getötet, aber nicht seine Kolleginnen und Kollegen, die ihm auf seinem Weg gefolgt sind. Die Verlierer sind diejenigen, die ihn aus dem Leben gerissen haben. Hüseyin ist und bleibt unvergessen, aber wer erinnert sich heute noch an die Namen der Mörder?”
Neffe und Schüler von Musa Anter
Eine weitere Rede hielt der Journalist Zeynel Abidin Bulut im Namen des DFG-Vorstands. Bulut, der Redakteur der kurdischen Zeitung Xwebûn ist, würdigte das Wirken von Hüseyin Deniz für die kurdische Presse und bezeichnete ihn als „Stimme seines Volkes”. Er erinnerte daran, dass Deniz ein Neffe und Schüler des Schriftstellers und Intellektuellen Musa Anter war, der nur wenige Wochen nach dem Tod des Özgür-Gündem-Korrespondenten ebenfalls von der Konterguerilla ermordet wurde.
Ayşe Sürücü erinnert an Deniz Firat
Die ebenfalls anwesende HDP-Abgeordnete Ayşe Sürücü nahm den Grabbesuch zum Anlass, an die Journalistin Deniz Firat zu erinnern. Die 30-Jährige war eine der ersten Journalistinnen, die 2014 über die Angriffe der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) in Kurdistan berichteten. Sie stammte aus der Provinz Wan und lebte mit ihrer Familie im Flüchtlingscamp Mexmûr in Südkurdistan. Im August 2014 griff der IS neben dem ezidischen Siedlungsgebiet Şengal und weiteren Orten auch Mexmûr an. Das Camp musste evakuiert werden. Deniz Firat dokumentierte mit ihrer Kamera die Geschehnisse vor Ort. Am 8. August 2014 berichtete sie das letzte Mal telefonisch von der Front in Mexmûr und wurde von einem Granatsplitter getroffen.
Kampf der freien Presse lässt sich nicht besiegen
„Die Mentalität, die verantwortlich ist für den Tod von Hüseyin Deniz, Deniz Firat und vielen weiteren Journalistinnen und Journalisten, ist dieselbe, die dieses Land in ein Gefängnis für Medienschaffende verwandelt hat“, sagte Ayşe Sürücü. „Doch ganz gleich was auch passieren mag, die Stimme der freien Presse wird nicht verstummen. Tausende stehen heute im Dienst der freien Presse und sind im Widerstand, um den Weg zur Wahrheit zu bestreiten. Dieser Kampf lässt sich nicht besiegen.“ Zum Schluss legten die Anwesenden Nelken auf dem Grab von Hüseyin Deniz nieder.