Samstagsmütter fordern Gerechtigkeit für Ferhat Tepe

Das Thema der 854. Mahnwache der Samstagsmütter war heute das Schicksal von Ferhat Tepe. Der 19-Jährige arbeitete für die Zeitung Özgür Gündem, als er im Juli 1993 von der türkischen Konterguerilla in Bedlîs verschleppt und ermordet wurde.

Bei ihrer 854. Mahnwache gegen das „Verschwindenlassen“ in Gewahrsam hat die Initiative der Samstagsmütter Gerechtigkeit für Ferhat Tepe gefordert. Der 1974 in Bedlîs (tr. Bitlis) geborene Journalist war 19 Jahre alt, als er am 28. Juli 1993 von der türkischen Konterguerilla am hellichten Tag im Zentrum seiner Geburtsstadt verschleppt wurde. Seit wenigen Monaten arbeitete er als Korrespondent für die Tageszeitung Özgür Gündem („Freie Tagesordnung”), die als erste ihrer Art die kurdische Frage in der Türkei thematisierte. Am 4. August wurde die Leiche des schwer gefolterten Ferhat Tepe am Ufer des Hazar-Sees im knapp 350 Kilometer entfernten Xarpêt (Elazığ) von einem Angler aufgefunden.

Todesnachricht kam am Tag der Studiumszulassung

Ferhat Tepe war der sechste Mitarbeiter von Özgür Gündem, der damals seit deren Erscheinen am 30. Mai 1992 umgebracht wurde. Die Nachricht seines Todes kam am selben Tag wie die Zulassung zum Journalistik-Studium in Istanbul, wie seine Mutter Zübeyde später in einem Interview erzählte. Urteile von Staatssicherheitsgerichten über Haftstrafen von bis zu 75 Jahren führten am 24. April 1994 zur Schließung der Zeitung. Während ihrer zweijährigen Erscheinungszeit wurden acht Korrespondenten und 19 Verteiler von Özgür Gündem durch „unbekannte Täter” ermordet. Auch Mitwirkende von Nachfolgezeitungen wurden getötet.

„Unser Korrespondent ist verschwunden, der Staat schaut nur zu” | Quelle: Bianet

Täter war Brigade-Kommandeur

Ferhat Tepes Vater Ishak war zum Zeitpunkt des Verschwindens seines Sohnes Vorsitzender des Provinzverbands der DEP (Demokratiepartei, 1994 verboten). Am Tag der Entführung erhielt er einen Anruf von einem Mann, der sich als Angehöriger der paramilitärischen „Türkischen Rache-Brigade“ vorstellte. Er forderte die Schließung aller Parteibüros der DEP, die Freilassung von vier Touristen, die von kurdischen Kämpfern entführt worden waren, und eine Milliarde Türkische Lira Lösegeld für die Freilassung von Ferhat Tepe. Der Anrufer wurde von Ishak Tepe als Korkmaz Tağma, Brigade-Kommandeur beim türkischen Militär in Bedlîs, identifiziert. Das letzte Mal rief er am 8. August bei der Familie an und teilte ihnen mit, dass der Körper von Ferhat Tepe in der Leichenhalle des staatlichen Krankenhauses in Xarpêt liegt. Recherchen ergaben, dass der Leichnam des 19-Jährigen nur einen Tag nach dem Fund in einem „Grab für Namenlose” verscharrt worden war. Identifiziert wurde Ferhat Tepe von seinem Cousin Talat anhand von Fotos. Er wurde exhumiert, um ihm eine würdevolle Bestattung zukommen zu lassen.

Korkmaz Tağma inzwischen Berater von türkischer Söldnerfirma

Obwohl Korkmaz Tağma als Hauptverantwortlicher für das Verschwindenlassen von Ferhat Tepe identifiziert worden war und Zeugen bestätigten, ihn mit dem Journalisten gesehen zu haben, ist er strafrechtlich nicht belangt worden. 20 Jahre nach dem Mord wurde die Ermittlungsakte mit Verweis auf die Verjährungsfrist geschlossen. 2003 verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Türkei aufgrund der mangelhaften strafrechtlichen Untersuchungen im Fall Ferhat Tepe und sprach seinen Angehörigen Entschädigungszahlungen zu. Die Familie des Journalisten ist fest davon überzeugt, dass der Mord vom Staat in Auftrag gegeben worden ist. „Ferhat war nicht der einzige, der von Korkmaz Tağma und seinen Leuten ermordet wurde”, sagt Ishak Tepe. Als Brigadegeneral ordnete Tağma in den 90ern dutzende staatliche Morde an kurdischen Zivilistinnen und Zivilisten an. In Bedlîs wurde er von der Bevölkerung „Leichensammler“ genannt. Nach seiner „Karriere” beim türkischen Militär arbeitete er als Kolumnist für die von dem islamistischen Prediger Fethullah Gülen gegründete und inzwischen verbotene Zeitung Zaman („Die Zeit”). Inzwischen gehört er zu den Top-Beratern von SADAT, einer Söldnerfirma des türkischen Staates. Nach wie vor genießt er ein Leben in Freiheit.