„Die Türkei vertuscht Probleme“
Abdullah Öcalan, der seit 26 Jahren unter strengen Isolationsbedingungen im Hochsicherheitsgefängnis auf Imrali inhaftiert ist, hat am 27. Februar einen „Aufruf für Frieden und eine demokratische Gesellschaft“ veröffentlicht. Seither reißen die Debatten um einen möglichen Friedens- und Demokratisierungsprozess nicht ab. Die Regelung des „Rechts auf Hoffnung“ steht an erster Stelle der Schritte, die unternommen werden müssen, damit der Prozess vorankommt. Der türkische Staat hat jedoch noch keine konkreten Schritte in dieser Hinsicht unternommen.
Der Rechtsanwalt Murat Aba ist Vertreter der Menschenrechtsstiftung der Türkei (TIHV) in Amed (tr. Diyarbakır). Im Gespräch mit ANF über das Recht auf Hoffnung geht er zunächst auf dessen Hintergründe ein. Die Grundlage war ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) gegen das Vereinigte Königreich.
Der Anwalt fasst knapp zusammen: „Das Recht auf Hoffnung betont, dass es Folter und unmenschliche Behandlung darstellt, eine zu lebenslanger Haft verurteilte Person ohne Hoffnung auf Freilassung im Gefängnis zu halten. Es sagt uns, dass es keine Strafe bis zum Tod geben sollte.“
Bezüglich Abdullah Öcalan hat der EGMR mehrere Urteile gegen den türkischen Staat gesprochen, dass diesen zur Umsetzung des Rechts auf Hoffnung verpflichtet. Ein Ministerkomitee zur Überwachung dessen setzte der Türkei eine letztmalige Frist bis zum September dieses Jahres.
Bisher sind jedoch trotz dieser Verpflichtung keine Schritte seitens der Türkei gegangen worden: „Faktisch ist die Türkei Mitglied internationaler Institutionen. Sie ist an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gebunden und Mitglied der Vereinten Nationen. Die Türkei muss unverzüglich eine Entscheidung in dieser Angelegenheit treffen und das Recht auf Hoffnung anerkennen. Leider versucht sie derzeit, dies zu verzögern.“
Abkehr von der Demokratie
Aba beobachtet, dass sich die Türkei seit langem von den Anforderungen einer demokratischen Gesellschaft und der demokratischen Welt distanziert habe und kommt zu einem düsteren Urteil: „Am 26. Juni, dem Tag der Solidarität mit Folteropfern, haben wir Daten über Folter und Misshandlung veröffentlicht. Die Türkei hat tatsächlich das folgende grundlegende Problem: Sie versucht, alle Probleme aufzuschieben, anstatt sie zu lösen.
Meiner Meinung nach haben die Institutionen und Beamten in der Türkei den von Devlet Bahçeli initiierten Prozess nicht verstanden. Das ‚Recht auf Hoffnung‘ ist jedoch ein sehr grundlegendes Recht. Es ist ein Recht gegen Folter, aber die Türkei versucht weiterhin, es aufzuschieben.“
Vertuschung unter dem Denkmantel der Sicherheit
Die Türkei habe sich zu einem Land mit autoritären Tendenzen entwickelt. Aba ist der Ansicht, dass sie unter dem Deckmantel sicherheitspolitischer Betrachtungen versuche, Probleme zu vertuschen. Demgegenüber sei das Recht auf Hoffnung jedoch auch ein Recht auf Leben. Eine Ignoranz dessen verschärfe die aktuelle Lage.
Wichtiger Schritt für Friedensprozess
„Leider steht die Türkei seit langem im Zentrum von Konflikten. Diese Situation stört nun den inneren Frieden und die Ruhe in der Türkei. Wir stehen vor einem neuen Friedensprozess. Die Anerkennung des Rechts auf Hoffnung und Schritte in diese Richtung werden das Vertrauen der Menschen in diesen Prozess tatsächlich stärken.
Bis heute wurden in der Türkei keine wesentlichen Schritte zur Lösung des Problems unternommen. Alle Schritte, die in Bezug auf das Recht auf Hoffnung unternommen werden, werden den Lösungsprozess festigen. Ohne solche Schritte würde der Prozess unvollständig bleiben. Die Anerkennung des Rechts auf Hoffnung wird ein wichtiger Schritt zur Versöhnung innerhalb der Gesellschaft sein“, konstatiert der Rechtsanwalt.