SADAT: Erdoğans Schattenarmee
Der türkische Söldnerkonzern SADAT fungiert als Tarnfirma zur Verlegung von Dschihadistentruppen aus Syrien nach Kurdistan, Libyen, Aserbaidschan bis in den Libanon.
Der türkische Söldnerkonzern SADAT fungiert als Tarnfirma zur Verlegung von Dschihadistentruppen aus Syrien nach Kurdistan, Libyen, Aserbaidschan bis in den Libanon.
Auch wenn der eng mit dem Erdoğan-Regime verwobene Söldnerkonzern International Defense Consulting (SADAT) von der öffentlichen Tagesordnung verschwunden ist, setzt er dennoch seine Arbeit fort. SADAT wurde 2012 als eine Art „muslimisches Blackwater“ zur Durchsetzung panislamischer und neoosmanischer Interessen des Erdoğan-Regimes gegründet. In der letzten Zeit tauchte der Name immer wieder im Zusammenhang mit der Verlegung von Dschihadisten aus der sogenannten Syrischen Nationalarmee (SNA) nach Libyen und Arzach (Bergkarabach), aber auch im Zusammenhang mit bewaffneten Gruppen mit Verbindungen zur PDK in Südkurdistan auf. SADAT ist ANF-Recherchen zufolge darüber hinaus auch in den besetzten Gebieten in Nordsyrien im Rahmen der Ausbildung von Dschihadisten und der Betreuung von Kriegstechnik aktiv.
Ausbildungslager auch in der Türkei und Nordkurdistan
Die Milizen, mit denen die Türkei in Syrien Krieg führt, sind allgemein bekannt. Das Spektrum reicht von dschihadistisch bis rechtsextremistisch, in den Besatzungszonen befinden sich entsprechende Ausbildungslager. Solche Trainingslager für irreguläre Truppen gibt es auch in der Türkei und Nordkurdistan. Das bestätigen nicht nur viele Aussagen gefangengenommener Dschihadisten, sondern auch die Vorsitzende der rechtsoppositionellen IYI-Partei, Meral Akşener. Demnach gebe es in Tokat und Konya solche Ausbildungslager. Gefangene Dschihadisten berichten von weiteren Lagern entlang der syrischen Grenze.
Enge Verbindungen zur Mafia
Bereits zuvor hatte unter anderem der stellvertretende CHP-Vorsitzende Veli Ağbaba im Mai 2017 erklärt, dass SADAT Milizen für das Regime zur Aufstandsbekämpfung vorbereite. Er wies dabei insbesondere auf die Bewaffnung von Zivilisten nach dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 hin. Bei diesen bewaffneten Einheiten bestünden Ağbaba zufolge Beziehungen zur Mafia. Die von ihm insbesondere erwähnte Graue-Wölfe-Organisation Osmanlı Ocakları wie auch viele andere rechtsextreme Kreise in der Türkei stellen Scharniere zwischen Mafia und Staatseliten dar. So bestehen engste Beziehungen zwischen dem MHP-Vorsitzenden und Koalitionspartner der AKP, Devlet Bahçeli, und dem Mafiaboss und verurteilten Mörder Alaattin Çakıcı. Nachdem Çakıcı wiederholt vom Geheimdienst MIT und sogar von Bahçeli im Gefängnis besucht worden war, wurde er im letzten Jahr auf Anordnung der Regierung amnestiert und entlassen. Er war einer derjenigen, der von der 2020 durchs Parlament gepeitschten Strafvollzugsreform profitieren konnte. Während politische Gefangene in Haft blieben, wurden vor allem Regimeanhänger und faschistische Gewalttäter entlassen. Çakıcı, in viele Morde „unbekannter Täter“ in den 90er Jahren verwickelt, gerierte sich sofort erneut als Kettenhund des Regimes und bedrohte den CHP-Vorsitzenden Kemal Kılıçdaroğlu, ihn zu „pfählen“. Die Mafiapaten agieren als Garanten der Macht des Regimes auf der Straße.
Wohin sind die Waffen verschwunden?
Nach dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 verschwanden hunderttausende Waffen aus dem Inventar der türkischen Armee. Es wird vermutet, dass diese Waffen an Milizen des Regierung oder an Dschihadisten in Syrien weitergegeben wurden. Eine dieser dschihadistischen Söldnerstrukturen ist die sogenannten SNA.
SADAT-Gründer Adnan Tanrıverdi
Von Libyen bis Kaschmir
Im vergangenen Jahr wurde der internationale Einsatz von SNA-Söldnern zunächst an der Seite des Muslimbruderregimes in Libyen deutlich. Anschließend wurden SNA-Söldner auch nach Aserbaidschan geschickt, um dort am Angriffskrieg gegen die selbstverwaltete Region Arzach mitzuwirken. Die ersten SNA-Dschihadisten wurden direkt zu Beginn des am 27. September gestarteten Angriffskrieges gegen die armenische Kaukasusrepublik nach Aserbaidschan entsandt. Dem Guardian erzählte ein SNA-Söldner von Ausbildungen in einem Militärlager im besetzten Efrîn. Dort sei ihnen von einem Kommandanten der Sultan-Murad-Brigade ein Monatslohn zwischen 7.000 und 10.000 Türkischen Lira für einen sechsmonatigen Einsatz in Aserbaidschan angeboten worden. Diesen Dienst sollten sie im Namen einer türkischen Sicherheitsfirma, deren Name nicht genannt wurde, erfüllen. Auch Quellen der Nachrichtenagentur Reuters bestätigen ähnliches. Immer wieder wurden offenbar Söldner nach Aserbaidschan unter dem offiziellen Vorwand verlegt, dort Öl- bzw. Gasfelder zu bewachen.
Nach dem erfolgreichen Angriffskrieg auf Arzach reichen die Planungen der türkischen Regierung bis nach Kaschmir. Auch dorthin gedenkt das AKP-Regime Dschihadisten an der Seite pakistanischer Islamisten gegen Indien einzusetzen.
SADAT in Dihok
Der Gründer von SADAT, Adnan Tanrıverdi, hat es sich eigenen Angaben zum Ziel gemacht, die Muslime „überall auf der Welt“ zu organisieren. Das schließt auch Südkurdistan ein. ANF-Recherchen zufolge errichtete SADAT seine erste Basis in Südkurdistan 2017 in Dihok. Dabei agiert Erdoğans Schattenarmee vor allem durch Tochterfirmen wie TIKA, HAKSIAD und ORSAM. Diese Firmen beschäftigen auch Mitarbeiter des türkischen Geheimdienstes. Ebenfalls ANF-Recherchen zufolge werden die „Privatarmee“ des Barzanî-Clans, die sogenannten „Hêzên Gûlan”, aber auch die sogenannten „Roj Peschmerga” von SADAT beziehungsweise den Tochterfirmen des Konzerns trainiert. Dabei findet die Ausbildung in einem Camp in Xenz bei Dihok statt. Die dort ausgebildeten Einheiten werden zur Destabilisierung von Rojava und zur Stärkung der SNA-Milizen eingesetzt. „Roj Peschmerga” agieren auch als Kontras gegen die von der Guerilla kontrollierten Medya-Verteidigungsgebiete und die selbstverwaltete ezidische Şengal-Region.
Paramilitärische Organisierung von Kerkûk bis Beirut
SADAT ist mittlerweile auch für seine Aktivitäten in Kerkûk in Südkurdistan bekannt. Hier bildet der Söldnerkonzern insbesondere turkmenische Milizen aus, um als Brückenkopf der Türkei in der Region zu agieren. Diese turkmenischen, rechtsextremen Milizen wurden zum Beispiel gegen Kurd*innen in Tuz Churmatu (ku. Xurmatû) eingesetzt. Die Türkei versucht auf diese Weise, ethnisierte Konflikte zu anzufachen. Das AKP/MHP-Regime erhebt in seinen neoosmanischen Ambitionen Anspruch auf die Städte Kerkûk und Mossul und ihre reichen Ölvorkommen.