Hatimoğulları: Zwangsverwalter-Gesetz abschaffen – lokale Demokratie stärken

Bei einer Konferenz in Amed forderte die DEM-Vorsitzende Tülay Hatimoğulları die sofortige Abschaffung des Gesetzes der Zwangsverwaltung. Demokratie beginne vor Ort – mit gewählten Vertreter:innen, einer geschlechtergerechten Politik und Schutz für alle.

Frauenvision einer demokratischen Stadt für alle

Die Ko-Vorsitzende der Partei der Völker für Gleichheit und Demokratie (DEM), Tülay Hatimoğulları, hat bei einer Versammlung in Amed (tr. Diyarbakır) die sofortige Abschaffung des sogenannten Zwangsverwaltungsgesetztes gefordert. In ihrer Rede beim Zwischentreffen des Rats für Demokratische Kommunalverwaltungen sprach sie sich für gestärkte, basisnahe Selbstverwaltung und geschlechtergerechte Stadtpolitik aus.

Die zweitägige Veranstaltung, die im Kongresszentrum „Çand Amed“ stattfindet, begann am Freitag mit einer Frauenversammlung, an der auch Çiğdem Kılıçgün Uçar, Ko-Vorsitzende der Partei der Demokratischen Regionen (DBP), teilnahm.

Frauen als Motor demokratischer Transformation

Zum Auftakt betonte die Ko-Oberbürgermeisterin Serra Bucak (DEM) die Rolle von Frauen bei der Gestaltung einer demokratischen Gesellschaft: „Wir führen unsere Arbeit aus der Perspektive derjenigen weiter, die Widerstand geleistet, Opfer gebracht und auch heute noch im Gefängnis sind.“ Frauen seien Subjekte des Aufbaus – nicht nur Teil, sondern tragende Kraft eines neuen politischen Verständnisses.

Tülay Hatimoğulları

Hatimoğulları: Demokratische Verwaltung muss alle Lebewesen schützen

Tülay Hatimoğulları sprach in ihrer Rede über die Erfahrungen aus einem Jahr kommunalpolitischer Arbeit. Unter dem Motto „Frauen sind Leben, und Leben heißt Selbstverwaltung“ forderte sie einen ganzheitlichen Blick auf Stadtpolitik: „Wir leben nicht allein in der Stadt. Auch andere Lebewesen haben ein Recht auf Schutz und Berücksichtigung.“

Scharfe Kritik an Zwangsverwaltung

Im Zentrum ihrer Kritik stand das „Treuhändersystem“, das seit Jahren in kurdisch geprägten Kommunen Anwendung findet. Dabei werden gewählte Bürgermeister:innen abgesetzt und durch staatliche Verwalter ersetzt. Hatimoğulları bezeichnete dieses Vorgehen als einen „Angriff auf das Wahlrecht, die kommunale Selbstverwaltung und die Gleichberechtigung der Geschlechter“.

„Die Absetzung gewählter Amtsträger:innen ist ein demokratischer Skandal. Die Aufhebung des Zwangsverwaltungsgesetzes ist heute eine der dringendsten politischen Notwendigkeiten“, erklärte sie. Die Bevölkerung habe ein Recht darauf, dass ihre gewählten Vertreter:innen ihre Aufgaben übernehmen – unabhängig von politischen Erwägungen.

Angriff auf Demokratie auch im Westen der Türkei

Mit Blick auf die Verhaftung und Absetzung des Istanbuler Oberbürgermeisters Ekrem Imamoğlu (CHP) und die Ermittlungswelle gegen die Stadtverwaltung der Bosporus-Metropole und andere Institutionen warnte Hatimoğulları: „Wir erleben, dass der autoritäre Zugriff sich nicht nur auf den Osten sowie Südosten des Landes beschränkt. Zwangsverwaltungsähnliche Praktiken breiten sich auch auf Anwaltskammern, Ärztekammern, Universitäten und sogar Unternehmen aus.“ Diese Entwicklung sei mit demokratischen Grundsätzen unvereinbar.

Kampf gegen Frauenarmut und patriarchale Strukturen

Ein weiterer Schwerpunkt ihrer Rede war die wirtschaftliche und soziale Lage von Frauen. Weltweit sei nur ein Bruchteil des Kapitals in weiblicher Hand – ein Ausdruck tief verwurzelter patriarchaler Machtverhältnisse. Die Kommunalpolitik der DEM-Partei setze daher gezielt auf Strategien gegen Frauenarmut.  „Wir lassen nicht zu, dass Feudalherren, religiöser Konservatismus und männliche Dominanz unser Leben bestimmen“, sagte Hatimoğulları. „Der Satz ‚Misch dich mit deinen Teigtaschen nicht in Männerangelegenheiten‘ gilt für uns nicht. Wir führen diesen Kampf bis zum Ende.“

Tülay Hatimoğulları, Çiğdem Kılıçgün Uçar und Serra Bucak

Gendergerechte Haushaltsplanung und Schutz vor Gewalt

Ein zentrales Element der kommunalen Arbeit sei eine geschlechtergerechte Budgetierung. Die Einbindung von Frauenorganisationen und zivilgesellschaftlichen Akteur:innen sei entscheidend, um effektive Präventionsarbeit gegen geschlechtsspezifische Gewalt zu leisten. „Was die Zentralregierung jahrelang ignoriert hat, setzen unsere Kommunen in konkrete Programme um“, sagte sie.

Vision einer demokratischen Stadt für alle

Hatimoğulları verwies auf die Bedeutung einer inklusiven Stadt: „Eine demokratische Gesellschaft bedeutet, dass Menschen unterschiedlichster Herkunft, Sprache, Religion und Identität in Würde zusammenleben.“ Eine Politik, die sich an sozialen, sprachlichen und geschlechtsspezifischen Bedürfnissen orientiert, müsse zur Norm werden.

Friedensaufruf und politische Perspektive

Abschließend stellte Hatimoğulları den Aufruf Abdullah Öcalans vom 27. Februar in den Mittelpunkt, in der dieser zu „Frieden und demokratischer Gesellschaft“ aufgerufen hatte. Dieser Appell müsse politisch ernst genommen und durch konkrete Schritte auf kommunaler wie nationaler Ebene unterstützt werden. „Der Weg zu einer demokratischen Gesellschaft führt über starke Kommunen“, so Hatimoğulları. Sie forderte das Parlament auf, die gesetzliche Grundlage für die Absetzung von Bürgermeister:innen abzuschaffen und die lokale Selbstverwaltung nachhaltig zu stärken.