RedHack-Affäre: Staatsanwaltschaft legt Berufung gegen Freisprüche ein

Sieben Wochen nach den Freisprüchen für sechs Journalist:innen von Terrorvorwürfen im Prozess um die Redhack-Affäre hat die Oberstaatsanwaltschaft von Istanbul Berufung gegen das Urteil eingelegt.

Fast zwei Monate nach den Freisprüchen für fünf Journalisten und eine Journalistin von Terrorvorwürfen im Prozess um die Redhack-Affäre hat die Oberstaatsanwaltschaft von Istanbul Berufung gegen das Urteil eingelegt. Die Beschwerde beziehe sich auf vier der sechs Angeklagten, teilte die Behörde am Freitag mit. Die Staatsanwaltschaft halte eine Freiheitsstrafe nach dem Antiterrorgesetz „für angemessen“, hieß es.

Kurz vor der Jahreswende waren Ömer Çelik, Tunca Öğreten, Mahir Kanaat, Eray Sargın und Metin Yoksu wegen Datendiebstahl zu jeweils zwanzig Monaten Haft verurteilt worden. Ein Istanbuler Gericht sah es als erwiesen an, dass die Journalisten auf unrechtmäßige Weise an E-Mails des Erdoğan-Schwiegersohns und früheren Energieministers Berat Albayrak gelangt sind. Die Vollstreckung der Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Die ebenfalls in der Causa angeklagte Journalistin Derya Okatan wurde freigesprochen.

Neben dem Vorwurf des Datendiebstahls warf die Istanbuler Oberstaatsanwaltschaft den Angeklagten zudem vor, „Propaganda für eine Terrororganisation“ oder „Straftaten im Namen einer bewaffneten Terrororganisation“ begangen zu haben, ohne Mitglied einer solchen zu sein. Einzig Mahir Kanaat war auch der „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ beschuldigt worden. Von diesen Vorwürfen wurden alle Angeklagten freigesprochen. Laut der Anklagebehörde sei dies aber eine „Fehlentscheidung“ der ersten Instanz gewesen.

Die Staatsanwaltschaft führt ins Feld, dass sich die Journalisten durch „Propaganda für eine terroristische Organisation“ an Straftaten schuldig gemacht hätten, an denen wegen der Funktion der „Verdächtigen“ in der Öffentlichkeit ein besonderes öffentliches Interesse bestehe. Betroffen von der Berufung sind Ömer Çelik, Derya Okatan, Metin Yoksu und Eray Sargın. Über die Beschwerde muss ein regionales Berufungsgericht entscheiden. Mit einer Entscheidung über die Zulassung oder Ablehnung ist frühestens in sechs bis acht Wochen zu rechnen. Sollte der Prozess gegen die Medienschaffenden tatsächlich teilweise wiederaufgerollt werden, könnten Haftstrafen bis zu siebeneinhalb Jahre drohen.

Vorgeschichte

2016 hatte das Hackerkollektiv RedHack bekanntgemacht, Kopien von Mails des Ministers Berat Albayrak zu besitzen. Die Enthüllungsplattform Wikileaks machte noch im selben Jahr über 50.000 Mails, die als elektronische Post des Minister-Accounts ausgegeben wurden, im Netz allgemein zugänglich. Die angeklagten Medienschaffenden hatten über die Affäre berichtet. Drei von ihnen – Tunca Öğreten, Mahir Kanaat und Ömer Çelik – wurden deshalb Anfang 2017 in Untersuchungshaft genommen. Dagegen hatten zwei der Betroffenen erfolgreich vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) geklagt.

Anklage beruft sich auf „anonymen Zeugen“

Die Anklage berief sich wie in den meisten Prozessen gegen Oppositionelle auf einen angeblichen anonymen Zeugen. Dieser hätte ausgesagt, dass der Mail-Hack bei Albayrak das Ziel gehabt habe, den Staatspräsidenten und dessen Regierung in die Nähe der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (IS) zu rücken. Außerdem habe man den Ruf Albayraks zerstören wollen. Als Beweis gegen die Journalist:innen wurden in der Anklageschrift neben den Vorwürfen über ihre Berichterstattung und entsprechende Beiträge in digitalen Netzwerken eine Chat-Gruppe im Kurznachrichtendienst Twitter aufgeführt. Diese war von RedHack zwecks Austauschs über den Leak eingerichtet worden. Die insgesamt achtzehn Journalistinnen und Journalisten hatte man in die Gruppe hinzugefügt, ohne sie vorher zu fragen.