Meinungsfreiheit verletzt: EGMR verurteilt Türkei
Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof hat die Türkei wegen der Verletzung der Rechte von zwei Journalisten verurteilt, diese muss nun Entschädigung zahlen.
Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof hat die Türkei wegen der Verletzung der Rechte von zwei Journalisten verurteilt, diese muss nun Entschädigung zahlen.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die Türkei wegen Verletzung der Rechte von zwei Journalisten verurteilt. Mahir Kanaat und Tunca Öğreten waren Anfang 2017 unter Terrorvorwürfen verhaftet worden, nachdem sie E-Mails des damaligen Energieministers Berat Albayrak und Schwiegersohns von Präsident Recep Tayyip Erdogan veröffentlicht hatten, die von der Hackergruppe RedHack zuvor geleakt worden waren. Kanaat wurden nun 14.000 Euro und Öğreten 19.750 Euro Schadenersatz sowie beiden 2.250 Euro Auslagenerstattung zugesprochen. (AZ: 42201/17 and 42212/17).
2016 hatte das Hackerkollektiv RedHack bekanntgemacht, Kopien von Mails des Ministers Berat Albayrak zu besitzen, wie der EGMR erläuterte. Die Enthüllungsplattform Wikileaks hatte noch im selben Jahr über 50.000 Mails im Netz allgemein zugänglich gemacht, die als Mails des Minister-Accounts ausgegeben wurden. Die beiden Journalisten hatten wie zahlreiche weitere Medienschaffende über die Affäre berichtet. Im Fall von Kanaat ging es zusätzlich um einen ihm zur Last gelegten Besitz eines Dokuments über eine Untersuchung zu Korruption in Regierungskreisen.
Mahir Kanaat und Tunca Öğreten wurden an Weihnachten 2016 zusammen mit vier weiteren Journalist:innen festgenommen, darunter Ömer Çelik, der damals bei der mittlerweile verbotenen kurdischen Nachrichtenagentur DIHA beschäftigt war. Sie kamen erst ein Jahr später wieder frei, die Anklagen gegen sie in der Türkei sind noch anhängig, ebenso wie von ihnen angestrengte Schadenersatzklagen. Nach Einschätzung des EGMR hätten die türkischen Behörden mit ihrem Vorgehen gegen die Rechte auf Freiheit und Sicherheit, auf Meinungsfreiheit und auf gerichtliche Prüfung der Haft verstoßen.
Das Gericht machte unter anderem geltend, dass sogar – falls Kanaat und Öğreten sich selbst Zugang zu den geleakten Mails verschafft hätten, was nicht erwiesen sei – dies nicht den Vorwurf der Mitgliedschaft in einer Terrororganisation rechtfertigen würde, der Anlass der Haft war. Die Verhängung der Untersuchungshaft gegen „Personen, die sich kritisch äußern“, habe eine Reihe von nachteiligen Auswirkungen, „sowohl für die Inhaftierten selbst als auch für die Gesellschaft als Ganzes, da die Verhängung einer freiheitsentziehenden Maßnahme, wie im vorliegenden Fall, unweigerlich eine abschreckende Wirkung auf die freie Meinungsäußerung hat, indem sie die Zivilgesellschaft einschüchtert und oppositionelle Stimmen zum Schweigen bringt“.
Der heute als Redakteur für die DIHA-Nachfolgeagentur Mezopotamya (MA) arbeitende Çelik hatte ebenfalls Beschwerde beim EGMR eingelegt. Einen Verstoß wegen unrechtmäßiger Inhaftierung sahen die Straßburger Richter:innen in seinem Fall aber nicht als gegeben an. Çelik hatte sich insgesamt 304 Tage in U-Haft befunden, Kanaat und Öğreten waren nur 19 Tage später aus dem Gefängnis entlassen worden.