Zozan Çewlik, Kommandantin des Hauptquartiers der Frauenguerilla YJA-Star, hat sich gegenüber ANF zur Besatzungsoperation der Türkei in Südkurdistan und den fortgesetzten Angriffen des Erdogan-Regimes auf Frauen und das kurdische Volk geäußert.
Die Guerillakommandantin verweist auf die weltweiten Auswirkungen der Corona-Pandemie und sagt: „Die Angst vor dem Tod hat die Menschen soweit gebracht, dass sie nicht mehr auf die Straßen gehen können. Die faschistische AKP/MHP-Koalition nutzt jede Gelegenheit, um ihre schmutzige und unmoralische Politik in die Praxis umzusetzen. Auch die Pandemie wird benutzt, um den Widerstand der Gesellschaft zu brechen.
Aktuell stehen die Vergewaltigungen und sexuellen Übergriffe durch Unteroffiziere der türkischen Armee auf der Agenda. In der Türkei, die ohnehin eine Vergewaltigungsrepublik ist, gibt es derartige Vorfälle seit langer Zeit, aber sie werden vertuscht und verheimlicht. Die Vorfälle in Êlih [türk. Batman], Silopiya [Silopi] und zuletzt in Şirnex [Şırnak] haben das Fass zum Überlaufen gebracht und die Bevölkerung ist auf die Straße gegangen. Die Haltung, die die Menschen in Şirnex gezeigt haben, ist eine Haltung der Selbstverteidigung und Würde. Wir begrüßen diese Positionierung der Bevölkerung von Botan und der Jugend. Eines sollte allen bewusst sein: Wenn zu dem System, das unser Land vergewaltigt, geschwiegen wird, vergewaltigt der Feind auch Kinder und Frauen.
Auch die vorher stattgefundenen Angriffe auf Guerillagräber sind ein Ergebnis dieser Vergewaltigungskultur. Darüber hinaus läuft eine große Angriffswelle gegen Frauen, die Widerstand leisten und sich nicht an die vom System festgelegte Frauenrolle halten. Als Hunde auf Rojbin Çetin gehetzt wurden, ist deutlich geworden, wie extrem dieses System inzwischen ist. Die Besatzungsoperationen des türkischen Staates finden nicht nur auf dem Boden Kurdistans statt, sie richten sich auch gegen Frauen, gegen die Völker, die Jugend und alle, die sich wehren. Der Grobian von Kasımpaşa [Erdogan] fordert sozusagen die ganze Welt heraus und muss endlich gestoppt werden. Der türkische Staat will Kurdistan, Libyen, Idlib und Syrien besetzen.“
Ankaras Rechnung ist in Heftanîn nicht aufgegangen
Das maßgebliche Hindernis für die AKP/MHP-Regierung sind die YJA-Star und die HPG, sagt Zozan Çewlik: „Zuletzt ist die als ‚Tigerklaue‘ bezeichnete Besatzungsoperation gestartet worden. Hier in der Gegend haben bereits etliche Operationen mit immer neuen Namen wie ‚Feger‘ oder ‚Stahl‘ stattgefunden und seit einem Monat dauert jetzt die Tigerklauen-Operation an. Da Ankaras Rechnung bei dieser mit Triumpfgejohle gestarteten Invasion in Heftanîn nicht aufgeht, verschlägt es den Generalen Atem und Stimme und sie erfinden täglich neue Lügen.
Die Operation in Heftanîn wird als Maßnahme gegen die PKK dargestellt, aber es handelt sich um eine Invasion zur Besatzung Südkurdistans. Die Bevölkerung und die Parteien im Süden müssen die erforderliche Aufmerksamkeit und Voraussicht zeigen und sich für unser Land einsetzen, ohne auf die Machenschaften des Feindes hereinzufallen. Dieses Land ist nicht unbewohnt. Die PDK unterstützt den türkischen Staat mit Informationen und agiert bei der Besatzung gemeinsam mit ihm, wenn auch zurzeit nicht besonders offen.
In Südkurdistan und auch in Rojava zeigt unser Volk Haltung gegen die stattfindende Invasion, weil es über ein patriotisches Bewusstsein verfügt und die Machenschaften des türkischen Staates gut kennt. Die Reaktionen der Menschen in Şîladizê, Silêmanî und Behdînan haben eine Bedeutung und wir finden sie wertvoll.“
Die Guerilla ist überall und nirgends
Menschen, die sich selbst, ihr Land und ihre Freiheit nicht verteidigen können, sind von ständiger Besatzung bedroht, führt Zozan Çewlik weiter aus: „Wer auch immer der Besatzer ist, er muss bekämpft werden. Die Einheiten der YJA-Star und HPG leisten großartigen Widerstand gegen die feindliche Besatzung in Heftanîn. In diesem Krieg wird mehr Technik als erwartet eingesetzt. Der türkische Staat hat in nur einer Nacht fünfzig Mal den Xantûr bombardiert, um Truppen auf dem Gipfel absetzen zu können. Das ist erst durch den Einsatz von zehn Aufklärungsdrohnen und massiver Bombardierung gelungen. Das ach so heldenhafte türkische Militär hat eine derartige Angst vor den noch im Frühling ihres Lebens stehenden jungen Guerillakämpferinnen und -kämpfern, dass es ohne seine Waffentechnologie keinen einzigen Schritt setzt.
Im Krieg in Heftanîn ist auf fast jedem Gipfel großer Widerstand geleistet worden, aber in Şeşdara und Xantûr war er besonders beeindruckend. Der von Heval Esmer angeführte Widerstand in Şeşdara war legendär. In Xantûr hat Heval Rustem seit Beginn der Invasion an vielen Aktionen teilgenommen. Im Kampf gegen die Besatzer hat er sich schließlich in einen Abgrund gestürzt, um nicht in die Hände des Feindes zu fallen. Angesichts dieser Haltung hat die türkische Armee schon längst verloren. Die Apocu haben einen unerschütterlichen Willen und einen unbesiegbaren Geist erschaffen. Dieser widerständige und niemals kapitulierende Geist gehört zur Tradition der PKK.
So wie sich Heval Bêrîtan bei der Besatzungsoperation 1992 im Süden einer Kapitulation verweigert hat und in einen Abgrund gesprungen ist, um nicht in feindliche Gefangenschaft zu geraten, hat Heval Rustem diesen Geist 28 Jahre später aktualisiert. Ebenso hat unsere große Kommandantin Azime bei der Operation im Jahr 1992 den Feind ins Leere laufen. Heval Esmer und Nucan sind der aktualisierte Ausdruck dieser mutigen Kommandantin.
Die Guerilla des 21. Jahrhunderts ist eine Quanten-Guerilla. Sie ist überall und nirgends. Wo sie ist, was sie tut und wie sie sich bewegt, ist ungewiss. Ebenso wie große Gefühle und Mut spielen Intelligenz und technische Kenntnisse eine grundlegende Rolle. Die Guerilla beschränkt sich nicht mehr auf ein einziges Gebiet und bestimmte Jahreszeiten. Die türkischen Streikräfte werden nach dem Nisêbîn-Syndrom auch ein Heftanîn-Syndrom haben. Das wird sich in der kommenden Zeit zeigen.“
Zeit des Sieges
Zozan Çewlik sagt, dass die Guerilla Erfolg hat, weil sie sich mit fester Überzeugung auf den Sieg konzentriert. 2020 sei ein Jahr, der vom Guerillakampf geprägt sei, so die Kommandantin: „Bisher hat die Guerilla ihre technische und taktische Souveränität noch nicht in jeder Hinsicht vorgeführt. Unsere Praxis im Jahr 2020 ist im Grunde genommen eine Selbstkritik, die wir Rêber Apo [Abdullah Öcalan] und den Gefallenen gegenüber leisten.
Die YJA-Star hat mit eigenen Aktionen in diesem Jahr sowohl quantitativ als auch qualitativ einen wichtigen Unterschied geschaffen. Sie hat dem Feind von Heftanîn bis Dersim, von Serhed bis Avaşîn schwere Schläge versetzt. Dabei ist ein ganz besonderer Geist entstanden. Heval Zeryan war erst seit zwei Jahren Guerillakämpferin und hat im Widerstand von Heftanîn als Scharfschützin zwei Tage lang das Vorrücken des Feindes aufgehalten, bevor sie im Kampf gefallen ist. Als Frauenguerilla reicht uns das natürlich noch nicht.
Der Widerstand von Freundinnen wie Esmer, Amara, Nûcan, Ararat, Evîn und Zeryan hat großartige Ergebnisse hervorgebracht. Gegen die faschistischen Angriffe auf Frauen sehen wir uns als Verteidigungskräfte Kurdistans nicht nur für die Verteidigung der Völker verantwortlich, sondern für alle Frauen. Wir bauen unsere organisierten Selbstverteidigungsstrukturen weiter aus. Die Frauenguerilla wird den Faschismus zerschlagen. Es ist die Zeit des Zusammenhalts und der Verteidigung unserer Werte. Es ist die Zeit, den Faschismus zu zerschlagen und dem Feind Raum zu nehmen. Es ist die Zeit des Sieges.“